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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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einer
    Vogelscheuche hatte als mit einem Menschen. Sein Haar hing in zottigen Strähnen über aufgedunsene Wangen, der Blick unter den schweren Augenlidern war der eines Blöden, der seinen Verstand ertränkt hatte. Die an ihm herabhängenden, mit faustgroßen Löchern durchsetzten Fetzen waren von oben bis unten mit Schmutz und Dreck verkrustet. Offensichtlich war es wahr, was man sich erzählte, nämlich, der Bewell schleppe solche Räusche mit sich herum – oder besser gesagt der Rausch ihn –, dass er oft nächtelang nicht den Weg nach Hause fand und draußen auf dem freien Feld seinen Suff ausschlief. Sogar auf einem Misthaufen hatten sie ihn angeblich schon gefunden.
    »Gehen wir einen trinken?«, lallte er und machte einen tapsenden Schritt auf die beiden zu.
    »Keine Zeit, Jan Bewell«, antwortete Gertzen, »vielleicht ein andermal!«
    Bewell murmelte etwas Unverständliches und sah ihnen mit stierem Blick nach.

    »Vier Jahre lang war es jetzt weitgehend ruhig mit dem Hexen-und Zaubererbrennen. Das ist einem Buch zu verdanken,
    ›Cautio criminalis‹ heißt es. Einige Leute scheint es nachdenklich gemacht zu haben. Jedenfalls hat die kurkölnische Regierung kurz nach seinem Erscheinen Anweisung gegeben, mit den Prozessen etwas vorsichtiger zu sein.« Pater Johann Freylink lief mit besorgter Miene auf und ab. »Aber es ist wie mit mancher Medizin: Irgendwann verliert sie die Wirkung. Jetzt fangen sie mit der Sengerei wieder an.
    Was den Moeden betrifft, so denke ich auch, dass er sich für ein Weile aus Flerzheim zurückziehen und einen neuen Acker suchen wird, auf dem er eine reife Ernte vorfindet. Und hier in Rheinbach ist noch längst nicht alles abgeerntet. Rheinbach soll enthauptet werden. Ob dabei der Buirmann, der von der Stegen oder der Moeden das Schwert führt, ist nebensächlich.
    Sie wollen die Führungsschicht beseitigen, die Macht an sich reißen. Alle, die hier etwas zu sagen und Einfluss haben, sollen weg! Lirtz, Lapp und Peller haben sie bereits erledigt, Bewell ersäuft sich selbst und Thynen und Halfmann brauchen sie.
    Wer ist dann wohl als Nächster dran? Dass ihr beide auf der Liste seid, ist so sicher wie das Amen in der Kirche!«
    Es entstand eine beklemmende Stille. »Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«, fragte Gertzen dann zaghaft.
    »Ich will ja nicht gleich den Teufel an die Wand malen, doch ich würde mir an eurer Stelle schon Gedanken machen, wie ihr notfalls von einer Stunde auf die andere aus Rheinbach verschwinden könnt!«
    »Aber mein Geschäft, mein Haus… meine Frau, meine Kinder…«, stammelte Löher, während Gertzen nur dastand und kein Wort herausbrachte.
    Durch das geschlossene Fenster klang gedämpft das Kullern von Steinen. Keiner beachtete es.
    »Eben. Auch da müsst ihr Vorsorge treffen, vor allem, was eure Frauen angeht.« Freylink sah Löher an. »Du siehst ja selbst, was sie gerade gegen deine Schwiegermutter anzetteln.
    Ich denke, der Rüffel des Fürsten wegen des Pfarrers hat ihr eine Schonfrist verschafft, aber darauf zu hoffen, dass dieser Zustand ewig anhält, wäre ziemlich kühn!«
    In Löhers Kopf zwängte sich mit einem Mal Gertrud Lapp, die lieber auf den Scheiterhaufen gegangen war, als ihren Besitz im Stich zu lassen.
    »Also, wie sollen wir vorgehen?« Es klang nicht nach einer Frage, sondern nach festem Entschluss.
    Löher horchte zum Fenster hin. War da nicht etwas?
    »Erstens«, sagte Freylink, »zu niemandem ein
    Sterbenswörtchen, außer zu euren Frauen. Zweitens: Schafft alles, was ihr an Barvermögen habt, aus der Stadt. Drittens: Deponiert es nicht an einem einzigen Ort, sondern in mehreren Städten. Viertens: Streut rechtzeitig das Gerücht aus, ihr wolltet eure Häuser verkaufen. Dein Haus mit dem Kontor ist doch inzwischen viel zu klein, stimmt’s nicht, Hermann?
    Deines ja auch, Richard, du wolltest doch schon längst neu bauen oder irre ich mich? Fünftens, das gilt für Kunigundes Mutter: Sie soll so tun, als ob nichts wäre. Das Geld holst du oder Kunigunde selbst am besten bei ihr persönlich ab, das schafft kein Gerede!«
    »Wohin? Ich meine, wegen der Depots. Es macht wenig Sinn, das Geld nach Frankfurt zu schaffen, wenn ich dann nach Bremen gehe!« Gertzens Stimme klang unwillig, gereizt.
    Gerade so, als ob sein Vetter an allem schuld wäre.
    Wieder polterten ein paar Steine.
    »Was ist das?«, fragte Löher misstrauisch.
    »Pflastersteine. Ein Haufen, vor dem Fenster. Wahrscheinlich pinkelt wieder so ein verdammter

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