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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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alle Ewigkeit um den heißen Brei herumreden! Schließlich geht es nicht nur um deine, sondern um euer beider Zukunft, um euer Leben!«
    »Da kommt er ja, der Professor!«, rief einer der Studenten.
    Sandy sah auf und war irritiert.
    Burrs Aufzug war etwas ungewöhnlich. Über dem nackten Oberkörper spannten sich die breiten Hosenträger, das Hemd, in das offensichtlich etwas eingewickelt war, hielt er in der Hand.
    »Was hast du da? Ich meine, warum kommst du halb nackt daher?«, fragte sie in ihrem breiten Südstaatendialekt, in den sie immer dann verfiel, wenn sie überrascht war. Genau vor Situationen wie dieser hatte sie Angst. Ihr Vater war strenggläubiger Presbyterianer, dem sein Glaube ein solches Verhalten verbot, und er hätte es niemals geduldet.
    George Lincoln gab keine Antwort, lächelte nur. Wortlos legte er dann sein Hemd ins Gras und schlug es langsam auf.
    »Fische!«
    Es klang beinahe wie ein einstudierter Chor.
    »Ja, Barsche! Ich habe sie gerade einem Fischer abgekauft, der sie gleich ausgenommen hat. Einmal etwas anderes zum Frühstück. Wir brauchen jetzt nur noch ein paar Stöcke, um sie braten zu können!«
    Burr wandte sich an Sandy. »Wie hätte ich sie denn sonst hierher bringen sollen? In den Händen? In den Hosentaschen?«
    Für die Umstehenden klang es heiter, doch sie spürte seine Verärgerung.
    George Lincoln ließ scheinbar belustigt den rechten Hosenträger schnalzen und ging zur Decke hinunter am Ufer, auf der immer noch sein Rucksack lag.
    Sandy kam nach einer Weile hinterher.
    »Entschuldige«, sagte sie, »ich habe es nicht so gemeint!«
    »Du nicht! Aber dein Vater!« Burr streifte sein Ersatzhemd über den Kopf.
    »Jock?«
    Das war ihr Kosename für ihn, wenn sie allein waren. »Jock of Hazeldean« war eines seiner Lieblingslieder, das er eine Zeit lang unentwegt vor sich hingeträllert hatte.
    Er hielt einen Augenblick inne. »Ja?«
    »Jock, ich möchte mit dir reden!«
    George Lincoln sah in ihre Augen und lächelte.

    28

    Kunigundes und Freylinks Folgerungen schienen richtig gewesen zu sein. Seit ein paar Tagen trieb sich Doktor Moeden auffallend oft in Rheinbach herum. Der Geck Augustin, seines Zeichens Bürgermeister von Flerzheim und
    Hilfsgerichtsschreiber, strich wie ein hungriger Wolf durch die Gassen, saß mit großen Ohren und schneller Zunge in den Gasthäusern und suchte fast täglich den Heimbach auf.
    Aber auch Hermann Löher war öfters als früher in den Wirtshäusern zu finden, ebenso Richard Gertzen. Löher war gerade auf dem Weg zum Dämmerschoppen, als er etwas Ungewöhnliches bemerkte. Mitten auf der Straße stand Pfarrer Wienand Hartmann und redete sichtlich erregt auf die beiden Ja-und-Amen-Schöffen Thynen und Halfmann ein. Einige Leute waren in respektvollem Abstand stehen geblieben in der Erwartung, etwas von dem Disput aufzuschnappen. Doch Hartmann machte ohnehin kein Geheimnis daraus, um was es ging. Löher trat hinzu und erschrak. War der Pfarrer denn von allen guten Geistern verlassen? Dachte er nicht an den Pfarrer von Esch und an den von Wiesbaum drüben in der Eifel, die der Moeden durchs Feuer hatte jagen lassen? War ihm der Meckenheimer Pfarrer Hubertus keine Warnung?
    »Könnt Ihr das mit Eurem Gewissen vereinbaren?«, schrie er Thynen und Halfmann regelrecht an. »Könnt Ihr das vor Gott verantworten, wenn Ihr ihm dereinst entgegentretet? Ja und Amen zu allem? Seht Ihr denn nicht das himmelschreiende Unrecht, Eure Blutsudelei?«
    Die beiden standen da wie ertappte Eierdiebe, mit vor Verlegenheit hochrotem Kopf und den Blick zu Boden gerichtet. Nur gelegentlich wagten sie einen kurzen, hastigen Zwinker zur Seite auf der Suche nach einer Möglichkeit, dem Strafgewitter zu entkommen. Aber es gab kein Entrinnen.
    Pfarrer Hartmann spießte sie auf mit seinen Worten, meinte jedoch nicht nur die beiden, sondern auch den Schall, den Heimbach, den Rohr, den Moeden, den Buirmann, den von der Stegen und die neuen Schöffen. Das war nur zu deutlich herauszuhören. Erst als immer mehr Leute stehen blieben, wurde er etwas leiser.
    »Vier Jahre lang war jetzt Ruhe dank der ›Cautio criminalis‹.
    Gebt es den Herren, die Latein lesen können, und sie werden große Augen machen!«, sagte er noch und ließ die beiden dann verdattert stehen.
    Im »Goldenen Lamm« saß der Flerzheimer Bürgermeister Augustin Rohr. Er war nun ein wichtiger Mann, einer, der Verantwortung trug, auf dem eine schwere Bürde lastete, einer, von dem erwartet wurde, dass sein

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