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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Reichsstadt Köln, wo wir vor den Häschern des kurkölnischen Herrschaftsbereichs halbwegs sicher sind. Das ist schon alles vorbereitet.« Nach einer Weile erhob er sich von der Leiter und blieb vor Gertzen stehen. »Vergelte es dir Gott, Richard!
    Aber bedenke: Du bist der Nächste!«
    Was das anbetraf, sollte er sich irren. Die nächste Verhaftung in Rheinbach betraf eine Person, die als unantastbar galt und von allen Rheinbachern mit Respekt behandelt wurde, wiewohl es in der Vergangenheit gelegentliche Reibereien gegeben hatte. Löher erreichte die Nachricht nur wenige Tage nach seiner Flucht in Köln, wo er mit den beiden Frauen bei einem seiner Geschäftsfreunde Unterschlupf gefunden hatte. Der Überbringer war sein Freund Johann Freylink, der es von Pfarrer Hartmann erfahren hatte. Der Nächste war demnach nicht Richard Gertzen gewesen, sondern der Vogt, Doktor Andreas Schwegeler.
    »Damit haben sie in Rheinbach eine Grenze überschritten, hinter der es keine weitere gibt!«, schloss Löher.
    Totenstill war es nun in der kleinen Küche. Nur der Deckel des Wassertopfes auf dem Herdfeuer hob sich gelegentlich und fiel mit einem blechernen Scheppern zurück.
    »Die Gertzens? Was ist mit ihnen?«, fragte Kunigunde mit banger Stimme.
    Hermann Löher zuckte die Schultern. »Wie es aussieht, sind sie noch in Rheinbach. Pfarrer Hartmann hat jedenfalls über sie nichts mitgeteilt. Aber das ist noch nicht alles!« Er holte tief Luft. »Behaltet den 3. August 1636 als unseren persönlichen Feiertag in Erinnerung! Er ist unser aller zweiter Geburtstag!
    Gleich nach unserer Flucht haben sie einen Haftbefehl gegen mich ausgestellt, aber es ist auch möglich, dass er schon vorbereitet war und wir den Halunken nur knapp
    zuvorgekommen sind!«
    Wieder hob sich der Deckel und klappte zurück auf den Topfrand. Kunigundes Mutter erhob sich und schob ihn etwas zur Seite, damit der Dampf entweichen konnte.
    »Ach ja«, fuhr Löher wie nebenher fort, »das Haus haben sie beschlagnahmt!«
    »Was haben sie?«, fuhr seine Frau auf. »Es gehört ja gar nicht mehr uns! Was ist mit den viertausend Reichstalern, die wir noch zu bekommen haben?«
    »Ebenfalls beschlagnahmt!«, antwortete er trocken.
    »Und die Kinder?«
    »Sie können sie nicht von heute auf morgen auf die Straße setzen und Pfarrer Hartmann ist ja auch noch da. Der Hermann und der Bartholomäus werden sofort beim Kurfürsten Beschwerde einlegen!«
    »Welch Unglück, welch Unglück! Was haben wir
    verbrochen, dass uns Gott so bestraft!«, fing Kunigundes Mutter zu schluchzen an.
    »Hör auf zu lamentieren! Freu dich vielmehr darüber, dass sie dich nicht in einer Rauchwolke nach oben geschickt haben!«, knurrte Löher grob.
    Dem Blick, den er dafür zurückbekam, konnte er beim besten Willen nichts Freundliches entnehmen.
    »Ich war noch im Hafen. Für übermorgen haben wir ein Schiff, das den Rhein hinauf bis nach Wesel fährt. In diesen Zeiten mit dreitausend Reichstalern in der Tasche über Land zu reisen, ist zu riskant!«, sagte er dann, wandte sich um und fing an, in seinem Felleisen zu kramen.
    »Was suchst du denn?«, fragte Kunigunde verwundert.
    Löher zog eine schwere, ledergebundene Bibel hervor, ein Erbstück seines Vaters. Außer ihr und den notwendigsten Kleidungsstücken sowie ein paar Kleinigkeiten, an denen sein Herz hing, hatte er nichts mitgenommen. Langsam, beinahe ehrfürchtig legte er sie auf den Tisch, schlug sie auf und schien etwas zu suchen.
    »Da!«, rief er plötzlich aus. »›Prediger! Fluche nicht wegen der Plagen zu Gott und halte es nicht für Teufelei oder Zauberei wie die Gottlosen, die damit den Nächsten beschuldigen! Halte es nicht für ein Unglück, das andere dir angetan haben‹… Trifft das nicht auch auf Rheinbach zu?!«

    29

    Sergeant Taylor Martin war ein gestrenger Herr mit ebensolchen Prinzipien und mit geradlinigen Ansichten.
    Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – war sein Weltbild vor ein paar Tagen in beträchtliche Schieflage geraten. Sergeant war er eigentlich schon lange nicht mehr.
    Während des Krieges hatte er ein Artillerieregiment befehligt und war zugleich Feldgeistlicher gewesen. Nach Kriegsende hatte er sich lange Zeit beharrlich geweigert, die graue Uniform der Konföderierten an den Nagel zu hängen, und er vertrat bis heute vehement die Ansicht, die Südstaaten wären moralisch im Recht gewesen. In der Negerfrage war er zwar moderater, als es hier üblich war: Er sah in den Schwarzen nicht eher

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