Die Lichtfaenger
mit dem Tier verwandte Untermenschen, war aber der Ansicht, sie hätten nichts zuwege gebracht, was auch nur annähernd die Bezeichnung Kultur verdiente. Und nun schleppte seine Tochter, seine Sandy, einen Yankee an, Baptist noch dazu – vielleicht auch Methodist, Quäker, Lutheraner oder womöglich sogar Katholik. Zugetraut hätte er es ihm jedenfalls. Doch das war nicht alles. Lincoln hieß er mit zweitem Namen, wie dieser unsägliche Präsident, dem sie das ganze Schlamassel hier im Süden zu verdanken hatten!
George, so würde er ihn vielleicht noch nennen, aber niemals George Lincoln. Eher würde er sich die Zunge abbeißen.
»Wenn es überhaupt so weit kommt!«, klammerte sich Sergeant Taylor Martin an den dünnen Strohhalm, in Wirklichkeit machte er sich allerdings keine großen Hoffnungen. Schließlich war Sandy seine Tochter und wie er mit einer gehörigen Portion Sturheit gesegnet. Das versöhnte ihn wieder etwas, erfüllte ihn mit ein wenig Stolz.
Taylor Martin warf einen Blick hinüber zu den beiden, die sich in den schattigen Teil der Veranda zurückgezogen hatten.
So übel war der Kerl eigentlich nicht, außer dass er erheblich älter war, schon auf die fünfzig zuging. Na ja, Sandy war auch nicht mehr die Allerjüngste. An Verehrern hatte es ihr wahrlich nie gefehlt, aber sie war zu wählerisch gewesen. John Huitcroft, das wäre ein Bursche für sie gewesen! Tabakfarmer, groß wie ein Baum und Presbyterianer durch und durch! Doch den hatte sie nicht gewollt, lieber brotlose Kunst studiert, Philosophie und Psychologie!
»Dieser Burr, was war der? Geschichtsprofessor!«, begann er wieder zu hadern. Hatte genau so einen Hungerleiderberuf wie seine Tochter! Dazu brachte er die Familie Martin durcheinander. Bei Sandy hatte er es schon geschafft. Während des Geschichtsstudiums hatte er ihr die Aufgabe gestellt, sich kritisch mit Johannes Calvin zu befassen, und als sie in den Ferien nach Hause gekommen war, hatte sie ihre Mutter und ihn, den Vater, davon überzeugen wollen, dass Calvin bei weitem nicht die leuchtende Gestalt gewesen sei, zu der ihn die Presbyterianer verklären würden. Calvin habe zwar Gewissensfreiheit gefordert, jedoch nur für sich und seine Anhänger, nicht für Andersdenkende. Gestern hatte es dann beinahe dem Fass den Boden ausgeschlagen! Hatte dieser Burr doch glatt behauptet, Hexenprozesse seien einer der Gründe für die rasche Verbreitung der presbyterianischen Lehre gewesen! Das hatte er noch nie gehört, und wenn das jemand anderer behauptet hätte, hätte der ihn kennen lernen können!
So hatte er nur abweisend geschwiegen und sein
Schwiegersohn in spe hatte das Thema von sich aus beendet.
Aber es ließ Taylor Martin keine Ruhe. Langsam drehte er seinen Schaukelstuhl den beiden zu und hüstelte ein paar Mal, so lange, bis George Lincoln und Sandy endlich aus ihren Büchern aufsahen.
»Ich möchte nicht stören«, sagte er, »das Gespräch gestern…
ich meine, ich würde doch gern mehr darüber wissen!«
»Hexenprozesse und Presbyterianer?«, versicherte sich Burr vorsichtshalber.
Der Sergeant nickte.
»Es war im November, Dezember 1691. Samuel Parris war Pfarrer von Salem in Massachusetts. In seinem Haushalt wohnten seine Tochter Betty, drei Jahre alt, deren elfjährige Nichte Abigail und deren zwölf Jahre alte Freundin Anne.
Parris hatte von einer Reise nach Barbados eine Farbige westindischer Abstammung mitgebracht. An den langen Winterabenden erzählte diese Tituba von Voodoozauberern, Geistern, Dämonen und Wahrsagerei in ihrer Heimat. Die Kinder saugten das wie ein Schwamm auf, glaubten natürlich jedes Wort, und ihre liebste Beschäftigung wurde es, sich gegenseitig die Zukunft vorherzusagen. Zunehmend wurde das Verhalten der Kinder merkwürdig. Betty schien völlig durchgedreht, sauste treppauf, treppab, durch die Räume, versteckte sich unter Möbeln, bekam Krampfanfälle und klagte über Schmerzen. Der herbeigerufene Doktor war ratlos. Dann zeigten sich ähnliche Symptome bei Anne, bald darauf bei Abigail. Dazu muss man sagen: Parris war ziemlich unbeliebt und die Gemeinde versuchte ihn loszuwerden. Er wehrte sich, predigte von einer Verschwörung gegen ihn und die Puritaner, von bösen Kräften, die Salem im Würgegriff hielten. Schon seit ein paar Jahren kursierte eine Schrift des puritanischen Spezialisten für Hexereifragen, Cotton Mathers, in der ein Fall beschrieben war, wie er sich nun in Salem zutrug. Keine Frage
– die Kinder waren verhext
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