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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Rat und seine
    Entscheidungen von geradezu salomonischer Weisheit waren.
    Da ein bedenkliches Kopfwiegen, hier eine beschwichtigende Handbewegung, dort ein bestätigendes Nicken, ein von Zweifeln geplagtes Gesicht, scheinbar angestrengtes Überlegen
    – das musste man dem Geck lassen, was die Mimik anbetraf, reichte kein Moritatensänger an ihn heran. Scheinbar mit einer wichtigen Überlegung beschäftigt, langte er gedankenverloren zum Weinkrug, schenkte sich ein und trank in kleinen, abgehackten Schlucken. Die Zunge schleckte noch genüsslich über seine falben Lippen, fuhr dann mit einem Schmatzlaut zurück in den Mund.
    Löher war beim Eintreten erleichtert gewesen, dass am Tisch des Nachfolgers seines Schwiegervaters kein Platz mehr frei war. Zwei Tische weiter und in ausreichend erscheinendem Abstand setzte er sich zu Pens Leinen, Wollhändler wie er, und dem Bauern Anton Henkel.
    »Nein, ich glaube das nicht!«, hörte er den Geck von drüben.
    »Sicher, es könnte sein und es macht sie durchaus verdächtig.

Denn wer so lange mit einem nach Recht und Gesetz verurteilten Zauberer unter einem Dach gewohnt hat und mit ihm verheiratet war, muss es sich schon gefallen lassen, dass man sich Gedanken macht. Aber ich denke…«
    Den Rest konnte er nicht verstehen. Er sah nur, wie der Bote Martin Koch ihm einen lauernden Blick zuwarf, gerade so, als ob er auf etwas wartete. Der Steinhaufen! Ja, der Steinhaufen vor Gertzens Haus! Das war der Koch gewesen, da war er sich jetzt sicher! Aber wem stieg der hinterher? Ihm? Dem Gertzen? Oder allen beiden?
    »… mein Vorgänger in Flerzheim…«, schnappte er auf.
    Hermann Löher spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss.
    Nun wusste er, von wem die Rede war. Wollte der Geck ihn herausfordern? Dieser verlauste Hund getraute sich, in seiner Anwesenheit über seine Schwiegereltern zu reden und so zu tun, als nähme er, Rohr, Kunigundes Mutter in Schutz! Löher musste sich mühsam beherrschen, um nicht aufzuspringen und dem Rohr die Zähne in den Hals zu schieben.
    Er trank sein Bier in einem Zug leer, zahlte und verließ die Wirtschaft, ohne an die Gesellschaft um den Geck Augustin auch nur einen einzigen Blick zu verschwenden.

    Die Sonne stach auf Rheinbachs Dächer nieder und zwischen den Häuserwänden war die Hitze kaum auszuhalten. Im Kontor, bewehrt durch die dicken Mauern, war es erträglicher.
    Hermann Löher rann dennoch der Schweiß in den weit geöffneten Hemdkragen, während er die schweren Wollballen nach oben in die Regale verfrachtete. Knarrend drehte sich das schwere Tor hinter ihm in den Angeln, helles Licht flutete in einem schmalen Streifen in den Raum, wanderte nach oben bis fast zur Decke. Geblendet versuchte Löher die Gestalt zu erkennen, doch erst als sich das Tor wieder geschlossen hatte, sah er, dass es Richard Gertzen war. Er schob den Ballen mit einem Ruck nach hinten und stieg langsam von der Leiter.
    »Was treibt dich hierher?«, fragte er und spürte ein leichtes Unbehagen in sich hochsteigen, als er Gertzens Gesicht sah.
    »Ich habe gehofft, mein Vetter übertreibt und sieht Gespenster. Aber es stimmt, er hat Recht gehabt!«
    »Kannst du sagen, wovon du redest, oder soll ich raten?«
    Gertzen blickte ihn stumm an. »Du bist im Gerede!« Obwohl Löher damit gerechnet, ja eigentlich darauf gewartet hatte, traf es ihn wie ein Keulenschlag. Mit tapsigen Schritten ging er zurück zur Leiter und setzte sich benommen auf eine der Sprossen. »Wer steckt dahinter?«, fragte er heiser.
    »Ich weiß nicht, von wem es ausgeht. Man tuschelt, wenn schon der Schwiegervater als Zauberer geendet habe und die Schwiegermutter im Gerede stehe, mit dem Teufel einen Bund zu haben, dann wäre es kein Wunder, wenn der Schöffe Löher mit ihnen unter einer Decke stecke. Verdächtig sei es auf alle Fälle, wie du die Angeklagten in Schutz genommen hättest und sich dann doch jedes Mal ihre Schuld herausgestellt habe!«
    Löher wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
    »Hast du dein Haus verkauft?«, fragte Gertzen besorgt.
    »Ja, schon. Aber das Geld habe ich noch nicht!«
    »Was wirst du tun?«
    »Zuerst mit meinen beiden Ältesten reden. Momentan sind die Kinder noch nicht in Gefahr, sie bleiben hier, das habe ich so mit dem Käufer vereinbart. Pfarrer Hartmann übernimmt die Obhut. Kunigunde geht unverzüglich nach Flerzheim zu ihrer Mutter und mit ihr sofort weiter nach Münstereifel, wohin ich nachkomme. Von dort aus fahren wir in die freie

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