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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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    Bibliotheksgebäude.
    »Warum nicht?«
    »Na ja. Viel Spaß. Dann hast du einen langen Abend vor dir, so wie ich dich kenne!«
    Morse Stephens sollte Recht behalten.
    Neben Burrs Schreibtisch stapelten sich die Pakete.
    Packpapier rot- und hellbraun, grau, gesprenkelt, blau, Kartons in verschiedenen Schattierungen und Farbstichen. Von Joseph Baer aus Frankfurt die von White entdeckten Prozessakten gegen Maria Renata Sänger, aus Nürnberg eine Carolina aus dem siebzehnten Jahrhundert, aus Edinburgh etwas über Jacob I. von der Basler Antiquariatsbuchhandlung ein Teil eines Elsässer-Prozesses, hinter dem er schon lange her war, aus Luxemburg die Abschrift der Dokumente gegen Susanne Stein… eine Moritat über einen Allgäuer Gastwirt, der seine schwangere Frau drei Mördern verkaufte, eine Geschichte, in der eine Frau auf Befehl Satans ihren Mann, ihre drei Kinder und zum Schluss sich selbst mitsamt ihrer Leibesfrucht tötete… aus Nürnberg drei Ellwanger Hexenpfaffen mit dem Organisten, dasselbe in abgewandelter Form und noch detailreicher ausgeschmückt aus Stuttgart.
    Welche verschlungenen Wege mochten all diese Dokumente hinter sich haben? In wie vielen verstaubten Dachböden und Speichern, muffigen Kellern, dunklen Kisten und Schubladen mochten sie die Zeit überdauert haben, um Jahrhunderte später Zeugnis zu geben? Und wie viel mehr wurde beiseite geschafft, weggeworfen, verbrannt – aus Interesselosigkeit, Scham, schlechtem Gewissen, Scheu, Angst oder einfach nur aus Dummheit. Der Aberglaube steckte den Menschen immer noch in den Knochen, viele waren bis heute felsenfest überzeugt, dass es Hexen und Zauberer gebe, die mit dem Teufel im Bund waren. Beispiele dafür hatte Burr zur Genüge erfahren. Die Frau im Schwarzwald, die Stein und Bein schwor, eine Dorfbewohnerin habe sich vor ihren Augen in einen Fuchs verwandelt. Der Bauer bei Eisleben, der nach dem Gottesdienst beobachtet haben wollte, wie der Dorffriseur mitten durch eine angebundene Kuh hindurch lief, weil er zu faul war, um sie herum zu gehen. In den Kirchen geraubtes Glockenfett, vermischt mit Graberde, mit denen man den Rindern die Hörner einschmierte, um die Tiere hexenfest zu machen. Sand, den man dem Nachbarn unter Verwünschungen auf den Acker streute. Ehefrauen, die vor der Aussaat auf dem Acker beschlafen werden sollten, um Zauber wirkungslos zu machen. Ein Uhrmacher in Nancy, der nach einem langen Erbstreit die neue Wohnung nicht eher bezog, als bis er sie gründlichst nach möglichen Zauberzetteln durchsucht hatte.
    Der Beamte in der Züricher Bibliothek, der es nicht wagte, eine Prozessakte anzufassen, aus Furcht, verhext zu werden, und unter einem Vorwand einen Kollegen dazuholte.
    Verständlich, dass man so etwas nicht unter dem eigenen Dach haben wollte. Selbst so mancher Bürgermeister mochte davon nichts mehr wissen, ließ die Archive durchforsten und alles bis auf den letzten Fetzen verschwinden!
    Manchmal war es sicher im Sinn des Gemeindefriedens, wenn Max Müller oder Ivonne Boucher nicht erfuhren, dass es einer der Vorfahren ihrer Nachbarn gewesen war, der damals die Ururgroßmutter auf den Scheiterhaufen gebracht hatte.
    Noch besser war es natürlich, wenn überhaupt niemand von diesen unrühmlichen Vorgängen irgendeine Kenntnis bekommen konnte, und das sollte möglichst so bleiben bis zum Jüngsten Tag. Jedenfalls, soweit es den eigenen Ort betraf.
    Wer es wagte, in der Vergangenheit herumzuwühlen, wurde meist scheel angesehen, war ein Nestbeschmutzer, um den man besser einen Bogen machte, um nicht selbst beschmutzt zu werden. Nichtsdestotrotz wurde wie schon seit Jahrhunderten weiter beobachtet, gemunkelt, gemutmaßt, geargwöhnt, verdächtigt. Natürlich nicht öffentlich, nicht in den Wirtshäusern, sondern in Hauseingängen, Küchen, auf dem Heimweg vom Kirchgang, vor dem Laden des Krämers. Nie waren es Gruppen, meistens nur zwei, ganz selten drei, die die Köpfe zusammensteckten, schnellzüngig tuschelten und wie abgehackt misstrauisch verstummten, wenn jemand in ihre Nähe kam. Aber das war nicht nur in Europa so, das gab es auch hier in Amerika. Ja, es war ein Wettlauf gegen die Zeit!
    Ganz in seine Gedanken versunken, öffnete George Lincoln das nächste Paket. Es enthielt ein Buch in einem
    ungewöhnlichen Format: quadratisch. Mit schwarzem Einband. Wie elektrisiert starrte er auf den Titel. Schultheiß!
    »Instruction, wie in Inquisitionssachen des gräulichen Lasters der Zauberei gegen die Zauberer,

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