Die Lichtfaenger
weiser, aufrechter, frommer und gebildeter Mann. Wie viel hat ihm die Stadt zu verdanken! Und dann so ein Ende!«
Gertzen schien es immer noch nicht loszulassen. Wie Löher hatte er Furchtbares erlebt in Rheinbach, doch wie sie mit dem Vogt umgegangen waren, hatte alles andere an Grausamkeit übertroffen.
Hermann Löher wartete, bis sich das aufbrandende Geschrei der Seemänner legte. »Ich gehe zurück nach Rheinbach«, sagte er in die kurze Stille und setzte vorsichtig »Vielleicht!« nach.
Gertzen sah ihn an, als hätte er ihm gerade eröffnet, dass der Papst geheiratet habe. Mit halb offenem Mund und großen Augen starrte er ihn an. »Sag mal – hat dich ein toller Hund gebissen?«, fand er wieder Worte. »Der Moeden fängt in Meckenheim wieder zu brennen an und du kannst darauf warten, bis er in Rheinbach auftaucht. Mit Ach und Krach hast du deinen Kopf aus der Schlinge gezogen und willst ihn jetzt freiwillig wieder hineinstecken! In vier Jahren haben sie an die hundertdreißig Personen verbrannt. Aber den Hermann? Nein, den werden sie mit einer Abordnung der Stadt empfangen und ihm zu Ehren ein großes Fest feiern!«
Gertzen schwieg einen Augenblick. »Du Spinner!«, schrie er Löher dann unvermittelt an. »Du gottverdammter Spinner!
Keine fünf Schritte über die Stadtgrenze wirst du deinen Fuß gesetzt haben, bis du – einszweidrei – im Gefängnis steckst.
Prozessdauer? Drei Tage, höchstens vier! Den Ausgang kennst du selbst!«
»Aber es sind doch jetzt auch andere Männer Schöffen, der alte Freylink…«
»Pah«, unterbrach ihn Gertzen schroff, »die genauso viel oder wenig ausrichten können wie der Vogt, der Peller, der Lapp und du und ich. Halfmann, Thynen, Bewell, der Schall und wie die Mordbuben alle heißen sind immer noch in Amt und Würden. Was den Vater von Johann angeht«, fuhr er ein wenig ruhiger fort, »der alte Freylink ist vor kurzem gestorben.
Sie haben ihn zum Schöffen gezwungen und mein Vetter sagt, er habe sich noch nie über den Tod eines Menschen gefreut mit Ausnahme dessen seines Vaters, da dieser nun das
Schandtreiben nicht mehr mitmachen müsse. Wahrscheinlich hat ihm das das Herz gebrochen.«
Hermann Löher gab keine Antwort, saß nur stumm da und kniff die Lippen zusammen. Gertzen hatte Recht. Der Traum von Rheinbach war ausgeträumt.
Nach und nach fügten sich die Löhers in ihr Schicksal. Sie hatten ein Dach über dem Kopf und ein Auslangen, was ihren Lebensunterhalt betraf, wenngleich Hermanns Geschäfte nicht ganz so gut liefen wie damals in Rheinbach. Was sie allerdings vermissten, war die freie Ausübung ihrer Religion, da den Katholiken der Bau eigener Kirchen verboten war. Doch es gab da die so genannten »Liebhaber«: Christen, die die Gottesdienste bei den Reformierten besuchten. Und es gab an die dreißig katholische »Kirchen« im Untergrund, deren Adressen man sich wie einst im alten Rom zuflüsterte, meist war es das Hinterzimmer einer Wohnung, wo man gemeinsam mit einem Priester die heilige Messe feierte. Eine davon lag kaum einen Steinwurf vom Haus der Löhers entfernt. An diesem Sonntag waren die Gertzens aus Jordaan
herübergekommen, wo sie eine Bleibe gefunden hatten.
Heinrich Mötgens, der aus Löhers Geburtsort Münstereifel stammte, war mit seiner Frau Mathilde ebenfalls da. Nach dem Gottesdienst blieb man gern noch ein wenig beisammen. Der eine oder andere hatte eine Flasche Wein mitgebracht, die Frauen etwas Gebäck. So war es auch heute.
»Habt ihr es schon gehört? Ich meine das mit Rheinbach?«, fragte der Mötgens.
»Was?«, kam es vierkehlig zurück. Es klang erschrocken.
»Die halbe Stadt ist abgebrannt!«
Die vier Rheinbacher sahen den Mötgens ungläubig an.
»Das ist aber kein guter Scherz!«, knurrte Gertzen ärgerlich.
»Es ist kein Scherz! Mein Bruder war gestern hier.«
Es folgte eine bange Stille. Kunigunde fasste sich als Erste.
»Wie konnte das passieren?«
»Soldaten. Einer der Ratsherren, Halbmann, glaube ich… ich habe mir den Namen nicht gemerkt…«
»Halfmann! Dietrich Halfmann!«, warf Löher dazwischen.
»Ja, genau so hieß er. Dieser Halfmann wollte ihnen aus Geiz nicht einmal die billigen Unschlittkerzen geben, sondern beharrte auf Kienspänen!«
»Soldaten? Welche Soldaten?«, fragte Gertzen.
»Was weiß ich! Soldaten eben. Keine Ahnung, Spanier, Schweden, Kaiserliche, es ziehen ja genügend umher… Wer kennt sich da noch aus? Jedenfalls ist ein Kienspan gefährlicher als eine Kerze, weil immer
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