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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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schöne Stadt, war größer, weiter, offener – nicht nur in räumlicher Hinsicht – als das kleine Nest am Rhein. Ein Viertel der Einwohner stammte aus Deutschland, hier lebten
    portugiesische Juden, Polen, Mauren, Seeleute aus aller Herren Länder zwischen Calvinisten, Remonstranten, Labadisten, Collegianten, Nestorianern, Quäkern und Brownisten.
    Hermann Löher war nun Amsterdamer Bürger, eingetragen als Härmen Leurs van Rijnbeck, was ihn durchaus mit Stolz erfüllte. Aber seine Seele war noch nicht in der großen Stadt angekommen, ebenso wenig die seiner Frau. Beide hatten sie Heimweh. Ein Schreiben aus Rheinbach nährte die Hoffnung, bestärkte den Wunsch, es könne sich alles zum Guten wenden.
    Vielleicht konnten sie doch wieder in ihrem stattlichen Haus wohnen, konnte er wieder seinen Geschäften nachgehen wie früher, konnten sie wieder mit den Kindern zusammenleben, deren Ferne besonders Kunigunde beinahe das Herz zerriss.
    Dazu musste Hermann Löher nur eines tun: zurückkehren nach Rheinbach, sich dort dem Gericht stellen und seine Unschuld beweisen.
    »Ich bin Amsterdamer Bürger! Sie können mich nicht einfach auf den Scheiterhaufen stellen!«, meinte er beinahe trotzig auf die Einwände seiner Frau. Auch ein Brief seines Freundes Freylink, der ihn beinahe entsetzt und mit Nachdruck davon abzuhalten versuchte, vermochte ihn nicht umzustimmen.
    Selbst als ihm Adam Herresdorf, ein Geheimrat des Kurfürsten, eindringlich abriet, vor dem Blutgericht zu erscheinen, gab er sein Vorhaben nicht vollends auf.

    Ein trüber, nasskalter Novembermorgen lag schwer über Amsterdam, aus den Grachten dampften müde Herbstnebel, mit leichtem Aufklatschen tauchten die Riemen eines vorbeiziehenden Bootes ins dunkle Wasser, hinterließen konzentrische Kreise, die mit leisem Plätschern an den buckligen Pflastersteinen verebbten. Ein Schwarm Tauben stob hoch, flog nur ein paar Fuß weiter, flatterte erst dann hinauf zu den Giebeln, als sich Hermann Löher erneut näherte. Er beachtete sie nicht. Sechsunddreißig Ballen Biberacher Barchent, acht Gulden Aufschlag pro Ballen… das müsste sich verkaufen lassen, gerade jetzt vor dem Winter. Der Malheim wäre sicher für mindestens fünf Ballen gut, ebenso Abraham Palingh, van Breek würde bestimmt drei abnehmen, Barkhan vielleicht sogar sechs…
    Achtlos erwiderte er den Gruß eines Entgegenkommenden, bemerkte nicht, wie dieser stehen blieb, weil er gerade dabei war, den Balthasar Peenen einzuschätzen.
    »Der Hermann! Ich glaube es nicht!«
    Löher hielt mitten im Schritt inne, erstarrt wie die biblische Salzsäule.
    Die Stimme kannte er. Doch er konnte es nicht glauben.
    Wortlos wandte er sich um und sah den anderen an wie ein Gespenst.
    »Du siehst schon richtig! Ich bin es! Der Richard!« Gertzen war kaum weniger überrascht. »Seit drei Tagen bin ich hier und seit zwei Tagen suche ich dich! Die Adresse, die mir mein Vetter genannt hat, stimmt nicht!«, sagte er.
    »Wir sind umgezogen. Letzten Monat!«, antwortete Löher, nachdem er sich einigermaßen gefasst hatte. »Wo kommst du denn her?«
    »Über Umwege aus Köln.«
    »Euer Haus?«
    »Haben wir rechtzeitig verkauft und das Geld sofort in Sicherheit gebracht!«
    Sie bogen in eine Seitengasse ein und betraten eine dunkle Kaschemme. An einem der Tische grölten ein paar trotz des frühen Tages bereits angetrunkene Seeleute.
    »Engländer! Saufen, aber vertragen nichts!«, meinte Löher abschätzig und bestellte einen Krug Rotwein und zwei Becher.
    Kurz erzählte er von den Kindern, die nun in Bonn waren, und davon, dass die beiden Ältesten vor Gericht gegangen seien, um wenigstens einen Teil des Vermögens zu retten.
    Mehr aber als seine eigenen Angelegenheiten interessierten ihn jetzt die Ereignisse in seiner Heimatstadt und Gertzens Flucht.
    »Nachdem sie den Vogt schlimmer als ein Stück Vieh verrecken ließen und sie über euer Entkommen ziemlich wütend waren, habe ich nicht mehr allzu lange überlegt. Um keinen Verdacht zu erregen, ist zuerst meine Frau zu Verwandten nach Meckenheim und ich bin am nächsten Morgen nachgekommen. Dann haben wir im Wirdenbacher Kloster Unterschlupf gefunden. Das hat mein Vetter vorbereitet, er hat Beziehungen zur Kölner Fakultät…«
    »Ich weiß. Die Professoren Habbel und Haustadt!«, nickte Löher und konnte ein schadenfrohes Glucksen nicht unterdrücken, weil ihm Buirmann und dessen
    Exkommunikation einfielen.
    »Über dreißig Jahre war der Doktor Schwegeler Vogt. Ein

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