Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
Vom Netzwerk:
den Geruch der Umgebung anzunehmen.
    Als sie außer Sicht- und Hörweite waren, hielt Upton an und stellte den Motor auf Leerlauf. Er machte einen ziemlich mitgenommenen Eindruck. Johnson und Strong wirkten ebenfalls angeschlagen. Weniger wegen Uptons erotischer Bedrängnis, sondern weil sich für sie am heutigen Tag ein Fenster geöffnet hatte, von dessen Existenz sie bisher keine Ahnung gehabt hatten.
    »So etwas habe ich noch nicht erlebt! Ich hatte schon Angst, sie würde jeden Moment über mich herfallen!«, sagte Upton.
    »Mistress Durnkees ist nicht gerade zimperlich. Sie holt sich, was sie braucht. Für einen Mann gibt es bei ihr zwei Möglichkeiten: Entweder hat sie nach einiger Zeit genug von ihm und wirft ihn hinaus oder er hält es nicht mehr aus und verschwindet von selbst! Na, wenigstens sorgt sie für die Kinder. Jedenfalls so gut sie kann!« Burr schwieg einen Moment. »Wegen ihres Männerverbrauchs hält man sie weitum für eine Hexe. Einmal nur in ihre Augen schauen – und schon kann es zu spät sein! Dagegen schützen die Kugeln von Mistress Flake!«
    Upton lachte, aber Burr blieb ernst.
    »Welche Kugeln?«, fragte Johnson vom Rücksitz aus.
    Upton holte die seine aus der Tasche und reichte sie nach hinten.
    »Was ist das?«
    »Wachs, schwarze Pferdehaare und Wermut!«, antwortete George Lincoln.
    »Wofür oder wogegen genau soll das gut sein?«, wollte nun Strong wissen.
    »Es schützt gegen den bösen Blick! Mistress Flake ist absolut davon überzeugt, dass Mistress Durnkees mit ihren Augen die Männer einfängt und sie dann ins Unglück stürzt!«
    Sein Neffe sah ihn verständnislos an. »Du bist doch Professor, sogar ein ausgewiesener Spezialist und Kenner auf diesem Gebiet. Weshalb klärst du die arme Frau nicht auf, sondern lässt sie in ihrem Aberglauben?«
    Um Burrs Mund spielte ein leises Lächeln. »Mein lieber George«, gab er zur Antwort, »Mistress Flake glaubt an die Wirkung von Wachskugeln. Leute mit Geld und Bildung schützen sich mit Edelsteinen, zum Beispiel Onyx oder Hämatit. Oder sie hängen sich teure Ketten aus Ringen um den Hals. Mistress Flake aber kann kaum lesen und schreiben und Geld hat sie auch keines. Wo ist da der Unterschied? Sie weiß um die Wirkung von schwarzen Haaren und Wermut, da ihre Eltern schon darum gewusst haben, ebenso wie die Großeltern und deren Vorfahren, und sie wird sich davon nicht abbringen lassen. Nein, mein lieber George, ebenso gut könntest du wie seinerzeit Don Quichotte gegen Windmühlen ankämpfen.«
    Im Westen färbte sich die Sonne zu einem glutroten Ball, stürzte dann förmlich zwischen den breiten Hügeln hinab und überließ das Land der heraufziehenden Dämmerung, während die »Tin Lizzy« beinahe mit Höchstgeschwindigkeit über die Landstraße polterte und ächzte. George Upton hatte keinen Blick für das Schauspiel. Ithaca würden sie nicht mehr bei Tageslicht erreichen.
    »So ein Mist!«, schimpfte er leise, lenkte das Gefährt zur Seite und brachte es unter nervenzerrendem Krächzen der Bremse zum Stehen. Natürlich war noch Schlamm vom letzten Mal im Behälter! Mit einem Ast kratzte er das Gröbste heraus, schätzte die restliche Wegstrecke, legte die benötigte Menge Karbid ein, öffnete das Ventil des Wassertanks und wartete.
    Was jetzt kam, war ein Gedulds- und Nervenspiel. So mancher Automobilist hatte schon, anstatt nur die Laternen anzuzünden, gleich das ganze Auto in Flammen aufgehen lassen. Es gab verschiedene Methoden, den richtigen Zeitpunkt für das Anzünden zu erwischen. Manche schworen darauf, bis zehn oder fünfzehn zu zählen, George Upton verließ sich lieber auf seinen Geruchssinn, was aber durch den an eine Mischung aus Knoblauch und halb verfaultem Käse erinnernden Duft eine gewisse Selbstüberwindung erforderte. Während der Prozedur waren die anderen ausgestiegen und Burr vertrat die Ansicht, dass eine längere Fahrt mit diesem Gefährt jedes Mal eine erneute Bestimmung der Lage der einzelnen Körperknochen erfordere.
    »Professor Burr, warum haben Sie für diese Fahrt Hilfe angefordert? Ich meine, wir haben den ganzen Tag nichts getan, und um die Pakete auszuladen, hätten Sie uns eigentlich nicht benötigt! «
    George Lincoln wandte sich zu Johnson und Strong. »Meine Herren, Sie sind – wie die meisten meiner Studenten –
    vermutlich wohlbehütet und sorglos aufgewachsen. Jeden Morgen frische Wäsche, ein Badezimmer mit frischen Handtüchern, drei Mahlzeiten täglich auf Porzellan, Getränke aus

Weitere Kostenlose Bücher