Die Lichtfaenger
kalt.
»Es ist so… Euer Mann, der Hingeschiedene, Gott sei seiner Seele gnädig und er schenke ihm eine fröhliche Auferstehung, also Euer Gemahl hat vor zwei Jahren Papier bei meinem Sohn Frederik gekauft, das bis heute nicht bezahlt ist!«
Tringen Löher gab es einen Stich ins Herz. »Das kann nicht sein! Wir haben bei niemandem Schulden!«, antwortete sie mit abweisender Empörung.
»Doch, doch! Ich habe einen Schuldschein! Euer Gemahl hat meinen Sohn immer wieder vertröstet. Das Papier wurde an den Drucker de Jong geliefert, der kann es bestätigen!«
»Die Lieferung kann er vielleicht bestätigen, nicht aber die Bezahlung oder Nichtbezahlung! Kommt mit dem Schein in der Koningstraat vorbei, dann sehen wir weiter!« In Tringens hagerem Gesicht zuckte es.
»Das ist nicht nötig!« Frau van Metelen öffnete ihre Tasche.
»Hier! Das ist die unbezahlte Rechnung für das Papier und das da – das ist doch die Unterschrift Eures Gemahls? –, das ist eine Sicherheitsübereignung.«
Als Tringen nach der Beerdigung das Haus in der
Koningstraat betrat, kochte es in ihr hoch. Bücher im Flur, Bücher im Wohnzimmer, Bücher auf der Treppe. Hermanns Kammer – voll gestopft mit Büchern, selbst der Speicher war gefüllt damit. Eintausend Exemplare hatte er drucken lassen und bis heute kein einziges verkauft! Nicht ein Stück! Zornig langte sie nach einem der Stapel, nahm ein Buch in die Hand und schleuderte es an die Wand. Achtlos ließ sie es am Boden liegen, ging in die Küche und setzte sich an den Tisch.
Eintausend Bücher, von denen kein Mensch auch nur eines haben wollte! Aber nicht genug damit! Mit einem zweiten hatte er angefangen, mit einem, in dem er der Stadt Rheinbach Ratschläge erteilen wollte! Dieser Narr! Dieser elende, verrückte Narr! Das halbe, nein fast das ganze Vermögen hatte er damit durchgebracht! Tringen Löhers Augen füllten sich, ihre Schultern zuckten und ungehemmt weinte sie, bis sie tränenlos war.
Am Vormittag war Frederik van Metelen da gewesen, aber sie war hart geblieben. Keinen Gulden würde sie freiwillig herausrücken, hatte sie ihm in aller Deutlichkeit gesagt. Als der Papierhändler ein paar Stunden darauf noch einmal bei ihr vorstellig wurde, da Löhers Sohn Bartholomäus, zu dem sie ihn geschickt hatte, gemeint hatte, ihn und seine Geschwister ginge das nichts an und er solle sich an die Witwe halten, verlor Tringen die Nerven.
»Nehmt den Plunder mit!«, schrie sie ihn an. »Nehmt ihn mit! Bis zum letzten Stück! Ich kann das Zeug nicht mehr sehen! Nur Unglück hat es gebracht!«
»Was soll ich damit anfangen? Ich kann die Bücher nur als Altpapier einstampfen und in die Papiermühle werfen! Was glaubt Ihr, was ich dafür noch bekomme?«
Der Papierhändler sah sie ratlos an.
»Das ist mir vollkommen gleichgültig! Die Bücher gehören nicht mir, sondern Euch! Ihr habt es ja schriftlich und ich will kein einziges Stück mehr davon im Haus haben!«, schrie sie weiter.
Noch am Nachmittag desselben Tages hielt ein
Pferdefuhrwerk in der Koningstraat. Bald darauf füllte sich der große Wagen mit Büchern, Büchern, Büchern…
39
In Cornell waren die Zeiten wieder ruhiger, gelassener. 1918
war Andrew Dickson White gestorben und Burr war mit dem Ordnen des Nachlasses beschäftigt, was ein ziemlich aufwändiges Unterfangen war.
George Lincoln kam gerade von einer Vorlesung, schritt gedankenverloren über den Campus hinüber zum
Bibliotheksgebäude, als er hinter sich jemanden näher kommen hörte, der ein wenig außer Atem bei ihm ankam und dann sein Tempo hielt.
»Professor Burr, könnte ich Sie kurz sprechen?«
Es war Lois Oliphant Gibbons und Burr dachte jedes Mal, wie Eltern einem solch hübschen Mädchen einen so
scheußlichen Namen geben konnten.
»Wo brennt’s denn?«, fragte er freundlich.
»Herr Professor, ich suche nach einem Thema für meine Dissertation und bin ein wenig ratlos. Ehrlich gesagt, mir fällt nichts Rechtes ein! Ich wollte fragen, ob vielleicht Sie einen Vorschlag haben, worüber ich schreiben könnte?«
»Hm«, machte Burr und sah sie kurz von der Seite an.
Gibbons war eine seiner besten Schülerinnen, aufgeweckt, von rascher Auffassung, fleißig, gewissenhaft und penibel. Ihr Temperament, ihr Humor, ja ihr ganzer Charakter erinnerten ihn manchmal an Sandy.
»Hm«, machte er nochmals und lief stumm weiter.
Über einen der ganz großen deutschen Rechtsgelehrten, den Protestanten Benedict Carpzow vielleicht, sein
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