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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Aussagen bestätigten, er sei für das verheerende Unwetter
    verantwortlich, bei dem vierzig Kühe erschlagen wurden. Um die Ernte zu verhindern, habe er Schnecken auf die Felder gezaubert, und um weitere Hexenverbrennungen zu vereiteln, wollte er den Wald vernichten, damit es kein Holz mehr für die Scheiterhaufen gäbe. Um vor möglichen Besagungen sicher zu sein, habe er einen Schweigezauber verhängt, indem er mit anderen Pfannkuchen gegessen habe, für deren Zubereitung die Herzen ungetaufter Kinder mitverwendet worden wären. Hans Kesten, der über Jahre hinweg mit ihm gekungelt hatte, und Niclas Fiedler, über den ebenfalls Gerüchte im Umlauf waren, waren als Hochgerichtsschöffen mit Untersuchungen gegen ihn betraut. Dass sich Kesten als Bürgermeister in einer undurchsichtigen Sache mit einem halben Zentner Käse hatte bestechen lassen, das hatten die Leute noch nicht vergessen, daher war ihm nun daran gelegen zu zeigen, dass er unbeeinflussbar seines Amtes waltete, und zwar ohne Rücksicht auf Ansehen und Person. Unverzüglich hatte er deshalb zusammen mit Fiedler beim Statthalter Zandt von Merl Bericht erstattet, als er von einem Fluchtversuch Flades erfahren hatte. Flade war mit seiner gesamten Barschaft in Begleitung eines Neffen unter einem Vorwand in die Kutsche des Deutschordenskomturs eingestiegen, aber nur bis Beckingen gekommen, da es sich schon bis dorthin
    herumgesprochen hatte, dass der Zauberer auf der Flucht war.
    Der Komtur hatte daraufhin sofort kehrtgemacht und den Flüchtigen samt seinem großen Geldsack vor dem Stadttor Triers abgesetzt. Kurz darauf war Flades ständige Beobachtung angeordnet worden. Die Kosten für diesen Aufwand und für die anfallenden Untersuchungen wurden von der Pension abgezogen, die er sich für den 1581 der Stadt gewährten Kredit ausbedungen hatte.
    Cornelius Loos war nach und nach zu der Einsicht gelangt, dass Binsfeld einerseits durchaus gelehrt, andererseits aber so leichtgläubig war, dass es schon ans Kindische grenzte. In seiner Hexenfurcht wurde er nur noch von Kurfürst und Erzbischof Johannes von Schönenberg übertroffen, und Loos beschlich das Gefühl, dass der Weihbischof die Angst des Fürsten weidlich ausnutzte, um diesen an sich sanften und bedächtigen Mann zu einem schärferen Vorgehen
    anzustacheln.
    Binsfelds Anfragen wegen der Widerlegungsschrift wurden immer drängender, aber Loos vertröstete ihn damit, er wolle sich zuerst noch mit Weyers Umfeld befassen, besonders mit dessen Lehrer Agrippa, da er sich davon Aufschlüsse über seine Denkweise erhoffe.
    Dieser Agrippa von Nettesheim schien ein bunter Vogel gewesen zu sein, dem Loos wegen seines Mutes, für seine Ansichten geradezustehen, seine Achtung nicht verwehren konnte. Agrippa hatte in Paris Rechtswissenschaften und Medizin studiert, er war Soldat, Leibarzt, Archivar und Historiograf gewesen, hatte sich mit Optik und Mechanik beschäftigt und mehrere Sprachen beherrscht, aber seine großen Leidenschaften waren Astrologie und Magie gewesen.
    Zudem hatte er sich mit Alchimie befasst und ein umfassendes Handbuch über okkulte Weisheiten geschrieben. Die Magie hatte er als wichtige Kraft zur Erlangung von Weisheit und Macht betrachtet, aber seine Ansichten und Lehren waren meilenweit entfernt von den dumpfen und einfältigen Vorstellungen, die landauf, landab gang und gäbe waren.
    Agrippa hatte in ihr eine Hilfe gesehen, die Brüche zwischen den Naturwissenschaften zu überwinden, und eine Befähigung des Menschen, die Geheimnisse der Natur und damit auch Gottes besser zu verstehen.
    Bei Bodin hatte Loos gehässige Anwürfe gegen Agrippa wegen eines Mainzer Hexenprozesses gelesen. Aus seiner eigenen Zeit dort kannte er die Geschichte in verschiedenen Variationen, nun aber hatte er Agrippas Schilderung der Ereignisse vor sich liegen.
    »Als ich juristischer Berater in der Stadt Mainz war«, stand da, »hatte ich 1519 eine harte Auseinandersetzung mit einem Inquisitor, der ein ganz übler Geselle war und ein armes Bauernweih auf die Folterbank gezerrt hatte, weniger, um sie zu verhören, sondern vielmehr, um sie abzuschlachten. Als ich ihre Verteidigung übernommen und ihm bewiesen hatte, dass nicht die Spur eines Beweises vorlag, sagte er mir doch mitten ins Gesicht: Es ist doch völlig ausreichend, wenn schon ihre Mutter als Hexe verbrannt worden ist. Als ich das nicht zur Sache gehörig und als juristisch belanglos abwies, begann er einige Geheimnisse des ›Hexenhammers‹ zum Beweis

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