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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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ungewöhnlich
    entgegenkommend und bot ihm unverzüglich einen Stuhl an, was er bisher noch nie getan hatte. »Mein lieber Mitbruder«, fing er ohne Umschweife an, »ich möchte Euch um einen Gefallen bitten!«
    Aha!, dachte Loos. Gefallen heißt Befehl!
    »Wie Ihr wisst, arbeite ich an einem Werk über die Bekenntnisse der Zauberer und Hexen. Was mir dabei zunehmend Kopfzerbrechen bereitet, sind die Schriften dieses Johannes Weyer. Ursprünglich wollte ich ihn einfach ignorieren und mit keinem Wort auf seine dümmlichen Argumente eingehen. Aber seine Anhängerschaft wird von Tag zu Tag größer, eine Nichtbeachtung würde sicher in bestimmten Kreisen als Bestätigung für die Richtigkeit seiner Ansichten oder als Feigheit meinerseits – je nachdem –
    ausgelegt werden. Ich komme also nicht umhin, mich mit seinen haarsträubenden Thesen über die schwermütigen Weiber auseinander zu setzen. Inzwischen soll er sich sogar an den Kaiser gewandt haben mit der Bitte, die Verbrennungen zu verbieten. Ihr, mein lieber Loos, habt selbst unter den Ketzern gelitten und Weyer versteckt sich bei ihnen, wenn er nicht gar selbst einer ist.« Binsfelds Oberkörper straffte sich und er sah Loos nun gerade in die Augen. »Dieser Weyer muss zum Schweigen gebracht werden! Ausgerechnet er als verkappter Lutheraner bezieht sich immer wieder auf den Canon episcopi, wo doch auch Luther und Calvin die gnadenlose Verfolgung der Hexen und Zauberer fordern. Die sächsischen Juristen nehmen ihn ebenfalls nicht ernst und spotten über diesen anmaßenden Medicus! Er sitzt praktisch zwischen allen Stühlen! Es wäre daher hilfreich, diesen Weyer in allen Punkten zu widerlegen, und wer könnte das besser als Ihr, der sich gründlich mit den Lehren Luthers und Calvins befasst?«
    »Mit den Ketzerlehren – ja. Ich muss aber ehrlich gestehen, mit zauberischen Dingen habe ich mich nur am Rand beschäftigt, da gibt es sicher Leute, die ein tieferes Wissen haben!«
    Binsfeld ließ dieses Argument nicht gelten. »Das mag sein.
    Aber Ihr als Kenner der lutherischen Ketzerei könnt fundierter an die Sache herangehen als jemand, der auf diesem Gebiet keine oder nur wenig Ahnung hat! Ihr könnt ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen!«

    Es wäre übertrieben zu behaupten, dass Loos mit Feuereifer an die Widerlegung der Weyer’schen Schriften ging, zumal er schon nach wenigen Tagen in Erfahrung brachte, dass der Verfasser vor kurzem gestorben war. Trotzdem beharrte Binsfeld auf seiner »Bitte«. Die einzige Genugtuung, die Loos aus seiner Arbeit nun noch zog, war die, den lutherischen Ketzern eins auswischen zu können.
    In der Zwischenzeit war ein Knabe – der Jeckel aus Reinsfeld
    – den Jesuiten zur Fürsorge überstellt worden und belastete mit seiner Aussage Doktor Flade schwer. Ein weiterer Bub, ein Matthias aus Weiskirchen, der unter erzbischöflicher Obhut stand, behauptete geradeheraus, den Flade auf einem Hexensabbat erkannt zu haben. In der Bevölkerung wuchs der Unmut über die Untätigkeit des Magistrats und es gab nicht wenige, die dessen Absetzung und die sofortige Hinrichtung Flades – wenn es sein musste ohne Prozess – forderten. Seine Standesgenossen wollten mit ihm unter diesen Umständen nichts mehr zu schaffen haben. Zu Ratssitzungen wurde er erst gar nicht mehr geladen, sie fanden hinter seinem Rücken statt.
    Um die immer bedrohlicher werdenden Gerüchte über ihn zu zerstreuen, beantragte er die Ausstellung eines
    Leumundszeugnisses, doch dessen anberaumter Besiegelung blieben die meisten Ratsherren fern und man verschob sie auf unbestimmten Zeitpunkt. Der gesundheitlich schwer angeschlagene Kurfürst Johann von Schönenberg, dessen Hexenfurcht seit dem Bekanntwerden von Mordplänen gegen ihn ins Unermessliche gestiegen war, bestellte bei den jesuitischen Theologen an der Universität ein Gutachten, von dem er sich Rat wegen der Besagung Flades durch den Weiskirchener Hexenbuben erhoffte.
    Als der Ordensgeneral Aquaviva davon erfuhr, befahl er dem Trierer Konvent unmissverständlich, sich aus den
    Hexereigeschichten und den Prozessen herauszuhalten und sich nicht als Beichtväter dazu missbrauchen zu lassen, geständige Hexen in ihren Aussagen zu bestärken und damit von einem etwaigen Widerruf abzuhalten.
    Die Schlinge um Flades Hals zog sich indessen immer enger.
    Er sei der Oberste auf dem Tanzplatz, der von einem goldenen Thron aus das Treiben dirigiere, die schwere Amtskette umgehängt und auf dem Kopf ein samtenes Barett.

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