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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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geheimnisvoll miteinander, worauf Binsfelds Gesicht jedes Mal einen wichtigen Ausdruck annahm, wenn er weiterdiktierte. »Gerade so, als ob soeben der Heilige Geist über ihn gekommen wäre«, dachte Loos angewidert. Im Wesentlichen aber hielt sich der Weihbischof an den vorformulierten Text.
    Binsfeld war nun mit den einzelnen Punkten fertig und zog sich mit den anderen in eine Ecke des Raumes zurück, wo sie wieder eifrig leise aufeinander einsprachen, wobei die Wortführer Binsfeld und Abt Biewer zu sein schienen. Von den anderen bekam Loos nicht viel mehr mit, als dass sie gelegentlich beipflichtend nickten.
    »Sie werden jetzt versuchen, dich endgültig mundtot zu machen. Schämst du dich nicht, Loos, vor diesen von ihrer Macht berauschten Wichtigtuern zu kuschen? Kannst du, wenn das alles vorbei ist, noch Achtung vor dir selbst haben? Wie willst du das mit deinem Gewissen vereinbaren? Noch ist der Weg zurück frei!« Die Gedanken rasten durch seinen Kopf, unklar, verhuscht, wie im Fieber. Kaum dass er Binsfeld wahrnahm, der nun bei den Schreibern stand und getragenen Tones auf die beiden einsprach. Es interessierte ihn nicht.
    Nicht mehr.
    Der Raum war nicht sonderlich groß, trotzdem kam es Loos vor, als befände er sich ganz allein in einem riesigen Saal. Hier waren lebende Menschen um ihn, aber so einsam war er selbst in seiner Zelle nie gewesen. Beinahe erschrocken fuhr er zusammen, als der große Schatten des Weihbischofs auf ihn fiel.
    »Ihr seid also zum Widerruf bereit?«
    Loos nickte müde.
    »Dann kniet Euch vor mir nieder und lest das laut und deutlich vor!«
    Mit einer herrischen Bewegung drückte ihm Binsfeld eine Ausfertigung des eng beschriebenen Schriftstückes in die Hand. Cornelius Loos tat, wie ihm geheißen. Kalt und unbewegt, als ob ihn das Ganze nichts anginge. Erst am Schluss begann seine Stimme für einen kurzen Augenblick leicht zu schwanken.
    »Ich verspreche heilig, dass ich in Zukunft, wo immer ich auch hinkommen werde, nichts Derartiges mehr lehren, verteidigen oder behaupten werde. Sollte ich dem
    zuwiderhandeln, so unterwerfe ich mich alsdann, wie auch jetzt, allen Gesetzesstrafen für rückfällige Häretiker, Widerspenstige, Rebellen, Ehrabschneider und Beleidiger der Obrigkeit als öffentlich überführter, entehrter Betrüger.« Loos musste schlucken, ehe er weiterlas. »Ich unterwerfe mich auch jeder willkürlichen Strafe sowohl des Erzbischofs von Trier als jeder anderen Obrigkeit, unter der ich leben werde und welche von meinem Rückfall und meinem Eidesbruch erfahren wird, damit sie mich nach Verdienst bestraft an Ehre, Namen, Hab und Gut und am Leibe.«
    Nein, so billig würden sie ihn nicht kriegen. Bevor er das unterzeichnete, wollte er wissen, was auf ihn zukam und dass keine Finte Binsfelds dahinter steckte. Bodeghemius schien seine Gedanken zu erraten.
    »Ihr werdet des Landes verwiesen und habt Kurtrier innerhalb von zwei Tagen zu verlassen. Bis dahin ist es Euch selbstverständlich untersagt, mit irgendjemandem Kontakt aufzunehmen oder über den Fall zu sprechen!«
    »Außer mit dem Stiftsherrn Linden! Der macht inzwischen ebenfalls schon unvorsichtige Bemerkungen. Er soll ruhig sehen, wohin das führt!« Binsfelds Augen funkelten. »So, und nun unterschreibt!«, befahl er dann kalt.
    Cornelius Loos schritt erhobenen Hauptes zum Tisch und setzte seinen Namenszug unter die beiden Abschriften.
    Nachdem die Zeugen und der Notar ebenfalls ihre
    Unterschriften geleistet hatten, nahm Binsfeld Loos’
    handschriftliches Manuskript von Biewers Arbeitstisch und reichte es Bodeghemius.
    »Ist das bestimmt das einzige verbliebene Exemplar?«, fragte er.
    »Mit absoluter Sicherheit!«, antwortete der Offizial.
    »Vernichtet es! Werft es in den Ofen!«
    Bodeghemius nickte und steckte es in die Tasche seiner Soutane.

    6

    Genau so hatte er sich die Stadt vorgestellt und das ärgerte ihn ein wenig. Alles war, wie es ihm Andrew Dickson White geschildert hatte und wie er es von Bildern kannte. Es kam ihm so vor, als wäre er schon öfter in Berlin gewesen, und er vermisste den Reiz des Neuen, des noch Unentdeckten. Hier vom Potsdamer Platz aus ging es zum Tiergarten, zum Schloss Charlottenburg, zum Brandenburger Tor und zur königlichen Residenz. Die breite Flaniermeile da vorn hieß Unter den Linden und die Pferdestraßenbahn war rot und gelb angestrichen. Sie war der einzige Farbklecks, der so gar nicht in die sonst so ernste Umgebung passen wollte.
    Burr hatte sein Gepäck,

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