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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Einerseits hatte Pater Augustinus seinen Einsatz in Peine in den höchsten Tönen gelobt, andererseits war er einer von denen, die den Überfall auf ihn erst ausgelöst hatten. Turrianus war ein erbitterter Gegner des Lutheraner-Pfarrers Bissendorf gewesen, dessen Hinrichtung das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Für diesen Tod hatten die Protestanten ihn, Spee, als Jesuiten letztlich mit verantwortlich gemacht. Ohne Zweifel – Bissendorfs Sticheleien waren unversöhnlich gewesen, besonders die gegen die Jesuiten hatten von Hinterlist und Häme getroffen. In seinem Traktat »Treuherzige Mahnung an die Jesuiten« hieß es:

    »Ich will’s dir leise sagen
    (All Pfaffen können’s nicht ertragen).
    Dein Mutter ist mit Gunst ein Hur,
    Des Teufels Braut und recht Figur.
    Bleibst du gleichwohl steif und fest
    Sitzen auf dei’m Hurennest
    Und laufest hin zu Papstes Thron,
    So wird aus dir ein Hurensohn.
    Der Papst, der große Antichrist,
    Aller Erzhuren Vater ist…«

    Die Katholiken waren in ihren Schmähreden keinen Deut besser und beide Seiten suchten sich mit
    Geschmacklosigkeiten solcher Art zu übertrumpfen und den Hass zu schüren. So lange zu schüren, bis es legitim erschien, den anderen dafür ohne jegliche Besinnung auf das Gebot der Nächsten- und der Feindesliebe umzubringen, im Namen Gottes Kriege zu führen und unsägliche Gräuel zu verüben.
    Spee überflog Bavinghs Zeilen und ließ das Blatt dann sinken. »Ich muss von hier weg. Der Pater Provinzial schickt mich nach Paderborn. Und zwar ›unverzüglich‹!«
    »Ich weiß. Moraltheologie sollt Ihr dort unterrichten«, antwortete Turrianus.
    Insgeheim hatte Spee gehofft, noch ein paar Wochen in der verschwiegenen Idylle von Falkenhagen bleiben zu können, in den umliegenden Dörfern die heilige Messe zu halten, den Menschen von der Liebe Gottes, den Wundern der Schöpfung zu predigen und ihnen in den Wirren einer wahnwitzig gewordenen Zeit mit dem Licht des Glaubens in der Düsternis voranzugehen. Aber er war Jesuit, ein Soldat Gottes, und ein Soldat hatte zu gehorchen.
    Paderborn. Drei Jahre, von 1623 bis 1626, hatte er hier verbracht, hatte an der Akademie Philosophie unterrichtet und war Katechet zu Sankt Pankraz gewesen. Hier in Paderborn hatte er Freunde. Aber es gab auch viele, die ihm nicht wohlgesonnen waren, die jeden neuen Gedanken und jede neue Fragestellung als Ketzerei, als Angriff auf ihr fest gemauertes Weltbild und somit als persönlichen Affront verstanden. Wie er es geahnt hatte, so kam es. Sie bespitzelten ihn, fragten seine Schüler aus, schlichen mit verkniffenem Mund und kalten Augen in seine Vorlesungen, verschwanden zum Ende hin lautlos im Lärm des allgemeinen Aufbruchs.
    Heute ging es in Spees Stunde besonders stürmisch zu. Er hatte soeben die Frage gestellt, was davon zu halten sei, dass der Zweck die Mittel heilige. Eine Hand ging hoch. Es meldete sich Herrmann Busenbaum, einer seiner Lieblingsschüler:
    »Mit Verlaub, die Frage müsste anders lauten, nämlich: Wenn der Zweck erlaubt ist, sind dann auch die Mittel erlaubt?«
    Spee nickte anerkennend. Aus dem würde noch etwas werden. Gerade wollte er erklären, dass dieser den Jesuiten zugeschriebene Spruch von den Ordensfeinden frei erfunden sei, da stach eine andere Hand in die Luft, respektlos, drängend. Sie gehörte einem dieser Adelsbengel, die glaubten, sich aufgrund ihrer Abstammung besondere Freiheiten herausnehmen zu können.
    »Wie ist das mit den Hexen, die Ihr immer so in Schutz nehmt? Da ist doch jedes Mittel recht! Was ist jetzt gerade in der Herrschaft Tomburg, in Flamersheim, Kirchheim, Palmersheim los, das ist nicht weit von hier?! Ich komme aus der Gegend! Die Fürsten und Beamten dort sind keine Trottel und bestimmt nicht leichtfertig!«
    »Mein lieber Syberg«, entgegnete Spee ruhig, »bitte mäßige deinen Ton. Ich weiß, einer deiner Verwandten, der Amtmann Dietrich von Syberg, hat dort den ersten Prozess eröffnet.
    Auch wenn du mit ihm versippt bist, heißt das noch lange nicht, dass deswegen alles rechtens ist. Im Übrigen: Falls du dich nochmals im Ton vergreifen solltest, wirst du unverzüglich den Saal verlassen. Haben wir uns verstanden?«
    Spee blieb vor ihm stehen und sah ihm gerade in die Augen.
    »Trotzdem will ich versuchen, dir eine Antwort zu geben, obwohl wir vom eigentlichen Thema abkommen. Aber ich denke, wir sprechen hier über eine der brennendsten Fragen dieser Zeit und daher kann ich das verantworten. Also, meine Antwort:

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