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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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katholisch ist.«
    Zurück in Falkenhagen, machte sich Spee unverzüglich an die Lektüre. Der »Gesetzeshammer« war eine klare Antwort auf den unsäglichen »Hexenhammer« von Sprenger und Institoris, der immer noch als Richtschnur diente, obwohl viele inzwischen den verschärften Ausführungen Binsfelds und Del Rios den Vorzug gaben. Pleier forderte wie schon vor ihm Prätorius oder dessen reformierter Glaubensbruder Hermann Witekind, der unter dem – recht schnell enträtselten –
    Pseudonym Augustin Lercheimer die Schrift »Christlich Bedenken« veröffentlicht hatte, die sofortige Abschaffung der Folter. Pleier begründete, die Tortur sei ein Relikt heidnischer Tyrannen und eines Christenmenschen nicht würdig, da sie die Lehre von der Nächstenliebe auf den Kopf stelle. Zudem verlangte er für die Angeklagten eine Möglichkeit zur Verteidigung.
    Friedrich Spee empfand es nicht nur als tröstlich, sondern begriff es als Aufmunterung und Ansporn, dass es trotz aller Gegnerschaft der Konfessionen auch auf der anderen Seite des Grabens Leute gab, die sich gegen den Wahnsinn auflehnten und die Gründe dafür trotz Gefahr für Leib und Leben mutig beim Namen nannten. Seine Pflicht war es, auf katholischer Seite zu bellen und nicht zu schweigen wie ein stummer Hund.
    Selbst dann, wenn er sich selbst damit gefährdete. Und wo sonst, wenn nicht hier in Falkenhagen, hatte er die Zeit und die Ruhe, eine klare und bezwingende Strategie aufzubauen?
    Obwohl es ihn zur Eile drängte, durfte er jetzt nichts überstürzen, jeder Satz musste glasklar und von
    unwiderlegbarer Logik sein. Schließlich würde er sie, die Fürsten, Beamten und Juristen, nicht mit Samthandschuhen anfassen, würde seinen eigenen geistlichen Stand mit seinen oftmals ungehobelten und grobschlächtigen Priestern nicht schonen. Er würde sich nur auf wenige Autoritäten berufen –
    auf Adam Tanner, dessen ebenfalls aus Tirol stammenden Landsmann Paul Laymann und einige andere –, ansonsten mit christlicher Vernunft und nur Gott sowie seinem Gewissen verpflichtet die Dinge prüfen und darlegen. Spee begann damit, sich ein Fragengerüst zu notieren: »Ob es wirklich Hexen, Zauberinnen und Unholde gibt?«, »Ob es in Deutschland mehr Hexen und Unholde gibt als anderorts?«,
    »Was die Hexerei oder Zauberei für ein Verbrechen ist?« und
    »Ob Hexerei zu den Sonderverbrechen gehört?«
    Der Sommer in Falkenhagen neigte sich dem Ende zu und der Herbst hielt ungewöhnlich früh Einzug. Die Blätter der Buchen färbten sich schon mit ersten Altersflecken, wurden schneller welk als sonst. Friedrich Spee hatte es nicht mehr in seiner Stube gehalten, es zog ihn hinaus zu den klösterlichen Bienenstöcken. Auf einem Baumstumpf sitzend, ein
    Schreibbrett auf den Knien, beobachtete er das Gewusel vor den Stockeingängen, lauschte auf das Summen, das ihm wie ein Konzert erscheinen wollte. Zweiundvierzig Strophen seines Bienengedichtes zum Lob des Schöpfers hatte er für sein Erbauungsbüchlein »Trutz-Nachtigall« bereits vollendet.

    »Ihr Völker viel auf Erden,
    Ihr Menschen allegar,
    Frisch, fröhlich in Gebärden,
    Vor Ihm euch stellet dar.
    Ihm danket seiner Gaben,
    Der Vöglein wunderfein,
    Des Wachs und Honigwaben,
    So wundersüß und rein. «

    Spee machte einen Absatz, setzte in die Mitte des Blattes
    »44.« und schrieb dann weiter:

    »Steigt auf und steigt hinunter
    In allen Werken sein.
    Ruft überall: Wie wunder
    Muss Er doch selber sein.
    Ruft überall: Wie wunder
    Sind alle Wunder sein.
    Wie wunder und wie wunder
    Muss Er dann selber sein!«

    Hinter sich hörte er Schritte nahen, das Rauschen einer Soutane. Noch im Umdrehen erkannte er den Rektor des Hildesheimer Jesuitenkollegs, Pater Augustinus Turrianus.
    »Einer der beiden Brüder hat mir gesagt, dass ich Euch hier finden würde! Hier, ein Schreiben aus Köln. Ich wollte in Falkenhagen wieder einmal nach dem Rechten sehen und dachte mir, dass ich es Euch bei der Gelegenheit gleich aushändigen kann!«
    Spee erkannte auf den ersten Blick die Handschrift des Provinzials Hermann Bavingh. Sein Herz zog sich zusammen und gleichzeitig durchfuhr ein Schmerz seinen Kopf, wie wenn ein langer, spitzer Nagel mit einem Hammer eingetrieben würde. Ein heftiger Schwindel warf ihn beinahe vom Baumstumpf, kurz schloss er die Augen und biss heftig die Zähne zusammen.
    Als der Anfall vorbei war, schaute er den Hildesheimer Rektor an. Was er von ihm halten sollte, darüber war er mit sich selbst im Zwiespalt.

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