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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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gesprungen, zwar sei er stumpfsinnig, aber nicht ganz blöd gewesen und habe halb abgeschliffene, schwarze Fingernägel gehabt.«
    »Erstaunlich. Ich habe bis jetzt geglaubt, das sei nur eine der Schauergeschichten, wie es ja viele gibt.«
    »Na ja, sie variieren von Gegend zu Gegend. In Teilen Deutschlands erhalten diese Werwölfe vom Teufel einen Gürtel, mit dessen Hilfe sie sich verwandeln können. Aber trotzdem war Ihre Schilderung hochinteressant. Zeigt sie doch, wie sich eine Geschichte über Generationen hinweg halten kann, wenn sie nur gruselig genug ist.«
    Es war früher Nachmittag und Burr hatte noch fast eine Stunde Zeit, bis der Zug nach Bordeaux eintreffen würde.
    White hatte ihm telegrafiert, dort gebe es zwei seltene Bücher über Architektur im Angebot, die Burr sich unbedingt anschauen und gegebenenfalls erwerben solle. Kaum dass er sich in einer windstillen Ecke der winzigen Bahnstation niedergelassen hatte, nahm er einen sonderbaren, scharf stechenden Geruch wahr. Er brauchte eine Weile, bis er darauf kam, dass er selbst es war, von dem der Gestank ausging. Am anderen Ende des Gebäudes befand sich ein kleiner Brunnen mit einer Ziehpumpe. Nachdem sich Burr vergewissert hatte, dass weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, öffnete er seinen Rucksack und kramte sein Seifenstück hervor. Dann entledigte er sich seiner Hose, schrubbte sie gründlich ab und spülte sie anschließend kräftig durch. Kurz dachte er daran, sie auszuwringen, ließ es dann aber bleiben, da sie aus leicht knitterndem Leinen war. Klatschnass hängte er sie über die Banklehne zum Trocknen in die Sonne und schlüpfte in seine helleren Beinkleider.
    Gleichmäßig strich der Wind über das weite Land und durch die wogenden Gräser. Die Sommerluft war erfüllt vom Zirpen Tausender und Abertausender Zikaden, ein sichtlich vergnügter Sperling genehmigte sich in einer ausgetrockneten Pfütze ein Staubbad, auf einem sonnenheißen Stein lag bewegungslos eine kleine Eidechse und hoch oben zog ein Bussard ohne einen Flügelschlag seine Kreise. George Lincoln lehnte sich zurück, schloss die Augen und spürte, wie der Friede dieses Landes in ihm Einzug hielt, ihn erfüllte und ihn klein, ganz klein werden ließ. »Und doch ist das alles für dich, nur für dich allein, weil du es bist, der es wahrnimmt!«, sagte er sich. »Was wäre, wenn du reich wärest, die Taschen voller Geld hättest? Deine Ohren würden es hören, deine Augen würden es sehen, aber deinem Herzen bliebe es verborgen. Es wäre dir gleichgültig, es würde dich langweilen. Dein Kopf wäre wahrscheinlich nur damit beschäftigt, nach
    Möglichkeiten zu suchen, wie du aus dieser kargen Gegend Profit herausquetschen und dein Geld mehren könntest!«
    War der kleine Spatz da vorn nicht glücklich in seiner Staubwolke, freute sich nicht die Eidechse über das schöne Leben in der Sonne? Nein. Mit keinem Millionär hätte George Lincoln tauschen wollen.
    Ein heiserer Pfiff aus der Ferne kündigte das Herannahen des Zuges an. George Lincoln erhob sich, faltete seine inzwischen halbwegs getrocknete Hose sorgfältig zusammen und verstaute sie in seinem Rucksack.

    14

    Arnold von Waldlois hatte seinem Vetter beim Abschied noch ein Buch in die Hand gedrückt. »Malleus judicum« stand darauf und »Der Gesetzeshammer der unbarmherzigen Hexenrichter.
    Von etlichen Christlichen Meistern geschmiedet und jetzt durch einen barmherzigen Catholischen Christen aufs Neue bearbeitet«.
    Friedrich Spee hatte selbstverständlich davon gehört, aber bisher war es ihm nicht gelungen, an ein Exemplar zu kommen. Über die Autorenschaft gab es widersprüchliche Gerüchte. Die einen meinten, es stamme tatsächlich von einem Katholiken, andere mutmaßten, dahinter steckten die Lutheraner, die damit die Katholiken verwirren wollten.
    »Wo hast du das her?«
    Der Prior lächelte nur verschmitzt und zuckte die Schultern.
    »Das spielt keine Rolle. Es ist für dich bestimmt hilfreich.
    Übrigens: Du wirst dich wundern, warum sich ein angeblicher Katholik hauptsächlich auf Lutheraner beruft wie Anton Prätorius oder Weyer, von dem man ja bis heute nicht genau weiß, auf welcher Seite er gestanden hat. Der Verfasser, Cornelius Pleier, ist der Sohn eines evangelischen Geistlichen aus Coburg. Er studierte Medizin und ein wenig Theologie und soll, wie ich gehört habe, soeben seine Stelle als Medicus in Kitzingen am Main aufgegeben haben, da die Stadt an Würzburg gefallen und somit nun wieder

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