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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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heraus. Es handelte sich um eine neuere, gebundene Sammlung von Briefen Heinrichs III. und Heinrichs IV. sowie um eine Abhandlung über Tirol und das Veltlin von 1772. Plötzlich schien dem Buchhändler eine Erleuchtung zu kommen.
    Blitzschnell fasste er nach dem nächsten Band und kam damit Burr zuvor. Triumphierend deutete er auf den Einband. Dort prangte das Wappen von Charles X.! Was George Lincoln jedoch stutzig machte, war der Umstand, dass die drei Bücher offensichtlich zusammengehörten. Alle drei waren marocrot gebunden. Nur, wie kamen sie hierher? Wieso erinnerte sich Bracony mit einem Mal an Charles X. der ihm vor ein paar Stunden noch völlig unbekannt gewesen war? Der junge Mann ließ ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. Immer wieder deutete er auf die drei eingeprägten Lilien auf dem Einband, nötigte ihn, das Buch genau zu inspizieren, während er ihn wie ein Luchs belauerte, um irgendeine Regung aufzufangen.
    In Burr keimte ein Verdacht. »Von wem haben Sie diese Bücher erworben?«
    Der Bursche druckste herum, wand sich und es war ihm anzusehen, wie er bedacht war, nur ja nichts zu sagen, was den Preis herabsetzen konnte. »Von einem vornehmen Adligen!«, meinte er dann zögernd.
    »Ebenfalls vor etwa sechs Wochen?«
    »Ja, das kommt in etwa hin!«
    »Könnte es sein, dass es sich bei dem Verkäufer um dieselbe Person handelt, von der Sie die paar tausend Papiere erstanden haben, die ich in Bordeaux gekauft habe?«
    Bracony warf einen Hilfe suchenden Blick zu seiner Mutter, den diese aber nur ebenso hilflos erwiderte.
    Der Buchhändler überlegte. Wenn dieser Monsieur den alten wertlosen Charles-Plunder gekauft hatte, wie viel mehr musste ihm dann erst das viel neuere und gut erhaltene Buch wert sein? Und wenn er schon das ganze andere Zeug hatte, konnte er ja wohl schlecht umhin, dieses ebenfalls zu erwerben.
    »Ja, es stammt alles von demselben Herrn. Aber Sie müssen doch zugeben, dass es eine Schande gewesen wäre, diese Prachtexemplare zusammen mit dem Ramsch zu verkaufen.«
    George Lincoln lächelte in sich hinein und nickte. »Wie viel möchten Sie, ich meine für den Charles?«
    Bracony nannte eine horrende Summe, aber Burr hatte nichts anderes erwartet.
    »Schau du es dir noch an«, meinte er zu Gregory in einem möglichst desinteressierten Tonfall.
    Dieser verstand sofort, blätterte ein wenig gelangweilt in dem Buch herum, stellte es zurück und schüttelte leicht den Kopf.
    Dem Buchhändler und seiner Mutter war die Enttäuschung anzusehen. Burr musste nun zusehen, dass er Gregory schleunigst aus dem Laden bekam, bevor diesen Mitleid mit den beiden überwältigte.
    »Wir überlegen es uns!«, sagte er daher freundlich und zog seinen Freund hinaus auf die Straße.
    »Mein lieber Caspar, wenn der junge Bursche nicht so faul wäre und sich darüber informieren würde, was er verkauft!
    Anscheinend glaubt er, nur schön gebundene Bücher hätten einen Wert – und so was ist Buchhändler! Ich werde ihn zappeln lassen und auf die Hälfte herunterhandeln. Allein die Auswertung des Charles-Fundes ist für die Studenten in Cornell Arbeit für ein Vierteljahrhundert!«
    »Du musst aufpassen!«, warnte Gregory. »Wenn Bracony mitbekommt, was wir da gefunden haben, wird er es auch anderen Leuten anbieten. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Nationalbibliothek davon Wind bekommt. Halte ihn also nicht zu lange hin und schau zu, dass du alles schleunigst außer Landes schaffst!«

    Zwei Tage später, Burr wollte zum Bahnhof, um sich nach der Lieferung aus Bordeaux zu erkundigen, versperrte ein Leiterwagen den ohnehin schon engen Hausflur. Gerade wollte er ihn in der Annahme, er gehöre der Vermieterin, unter die Treppe schieben, da entdeckte er einen an der Deichsel befestigten Zettel mit unverkennbar Gregorys winziger Handschrift.
    »Lieber George«, stand da, »war heute früh schon am Bahnhof. Sendung aus Bordeaux ist da. Vergiss aber deinen Pass nicht! Den Handwagen habe ich besorgt, da du gesagt hast, es sei zu viel zum Tragen. Gruß, Caspar.«
    Das war Caspar Rene Gregory, wie er leibte und lebte! In seiner Gegenwart einen Wunsch zu äußern war gefährlich, er würde nichts sagen, aber alles daransetzen, ihn zu erfüllen.
    Bestimmt war er um drei oder vier Uhr in der Früh aufgestanden und zum Bahnhof gerannt. Doch wo er den Karren aufgetrieben hatte, das wusste der Kuckuck.
    Der Packen lag tatsächlich in der Gepäckaufbewahrung, sauber eingewickelt und verschnürt – und so

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