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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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geflissentlich aus dem Weg ging, als ob er Aussatz hätte. Und diejenigen, die auf Spees Seite standen, getrauten sich nicht, es offen zu zeigen. Das waren nicht mehr allzu viele, eigentlich nur zwei. Der eine war Pater Goswin Nickel, der nun als Bavinghs Nachfolger als Provinzoberer eingesetzt worden war, und der andere Pater Adam Kasen, der Rektor des
    Gymnasiums.
    Der Abend war schon fortgeschritten, die Patres hatten sich bereits in ihre Kammern zurückgezogen, als es leise an Spees Tür klopfte.
    »Du musst entschuldigen«, sagte Nickel beim Eintreten,
    »aber je weniger man uns zusammen sieht, desto besser.
    Momentan ist es sicherer, nicht mit offenen Karten zu spielen.
    Zwar hat der General in Rom wegen der fehlenden
    Druckerlaubnis durch den Orden nur die Ermahnung
    ausgesprochen, du sollst mit deinen Schriften etwas sorgfältiger umgehen. Ich würde das als milden Tadel, wenn nicht sogar als Zustimmung bezeichnen. Wahrscheinlich wäre man in Rom sogar bereit, einer Neuauflage die Imprimatur zu erteilen. Aber nun versucht unser Mitbruder Peter Roestius, dein Werk auf die Liste der verbotenen Bücher setzen zu lassen. Das hat er bereits öffentlich verkündet. Du weißt, was das bedeutet!«
    Spee nickte. »Im schlimmsten Fall lande ich selbst auf dem Scheiterhaufen!«
    »Noch schützt dich der Orden – ich habe übrigens ebenfalls eine Stellungnahme an General Vittelesci geschickt –, aber wie mir zu Ohren gekommen ist, gibt es weitere, persönliche Anschuldigungen gegen dich, die sie nach Rom melden! Auch versuchen sie Rektor Kasen für sich zu gewinnen und zweifeln die Rechtmäßigkeit deiner Professur an, weil du kein Vollmitglied des Ordens bist!«
    »Wie in Paderborn. Der blanke Neid!«, antwortete Spee.
    »Das tut weh!«
    Mit Goswin Nickel war Spee freundschaftlich verbunden.
    Beide hatten sie vor Jahren hier in Köln am Gymnasium unterrichtet, bis Bavingh Spee nach Peine weggelobt hatte.
    Auch Nickel war früher ein Verfolgungsbefürworter gewesen.
    Erst die Hinrichtung der Henot ohne Geständnis hatte ihn nachdenklich gemacht. Doch seine Pflicht als Provinzial und Vorgesetzter war es zu einen, nicht zu spalten. Eine offene Stellungnahme für eine der beiden Seiten hätte den Graben nur noch tiefer gemacht. Hinzu kam, dass der Orden von den Zuwendungen der Fürsten abhängig war, und daher war es ratsam, sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Kein Wunder also, dass Goswin Nickel nicht sonderlich erfreut gewesen war, als er erfahren hatte, wer hinter dem katholischen Theologen steckte, »der seinen Namen nicht nennen wollte«. Aber nachdem er die »Cautio criminalis«
    gelesen hatte, war ihm klar, dass es für einen Menschen mit Verstand eigentlich nur eine Möglichkeit gab, dieses Buch abzulehnen, nämlich die, es erst gar nicht aufzuschlagen. Es entlarvte den Kreislauf, zeigte auf, wie die Fürsten sich auf die Beamten verließen, die sich wiederum auf Erstere beriefen.
    Dass die Richter schon deshalb ein Interesse daran hatten, ein Geständnis um jeden Preis zu erzwingen, da sie für jedes Todesurteil ein nicht unbeträchtliches Kopfgeld erhielten.
    Erstmals sah er die Gewissensnot, in die viele verblendete Priester die Verurteilten brachten, wenn sie diejenigen, die ihre Unschuld beteuerten, dazu zwangen, zu ihrer unter der Folter erpressten Aussage zu stehen, da sie ansonsten wie ein Stück Vieh ohne Sakramente verrecken müssten.
    »Ich rate dir dringend, nimm dich in deinen Vorlesungen zurück, biete ihnen keine Angriffsfläche!«
    »Meine Pflicht ist es zu bellen, nicht wie ein feiger Hund das Maul zu halten!«, fuhr Spee auf.
    »Also gut! Wenn du es nicht anders willst, so befehle ich es dir als dein Vorgesetzter! Im ganzen Orden gibt es keinen zweiten, der so viel Ärger macht wie du. Das weißt du selbst, aber ich möchte dich nur wieder einmal daran erinnern!
    Schreib lieber weiter an deinen Kirchenliedern, das ist ungefährlicher!«
    »Ich kann nicht! Ich weiß, ich bin dir gegenüber zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Aber es ist gegen mein Gewissen!« Er machte einen Schritt auf den Provinzial zu.
    »Schau dir meine Haare an! Welche Farbe haben sie? Grau!
    Mausgrau! Warum? Ich sage es dir! Wegen der Hexen! Ich habe sie gesehen in ihren verdreckten Löchern, ihre zerschundenen Leiber. Ich habe sie erlebt, ihre Verzweiflung in tränenleerem Weinen. Ich habe sie gehört, ihre Unschuldsbeteuerungen, und ich schwöre, ich habe keine Einzige gefunden, von deren Schuld ich auch nur

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