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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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und im Sturmschritt die Treppe hinaufjagte. »Es wird dich interessieren!«
    In seiner Kammer öffnete er einen Schrank, legte beinahe ehrfürchtig ein paar Bogen Pergament auf den Tisch und trat einen Schritt zurück.
    Burr trat näher. »Griechische Großhandschriften… alles mit Großbuchstaben geschrieben. Welches Jahrhundert?«
    »Ich nehme an, viertes bis fünftes!«
    George Lincoln pfiff anerkennend durch die Zähne. Es gab kaum jemanden – weder in Europa noch sonstwo auf der Welt
    –, der mit bloßem Auge das Alter alten Pergaments beurteilen konnte. Früher war, um Kosten zu sparen, Pergament manchmal einfach mit einer kräftigeren Tinte überschrieben worden, dazu war es vielfach durch Nässe, Schmutz und Wurmstich verdorben. Aber das war für Caspar kein unüberwindliches Problem. In Paris hatte er das Schema entdeckt, nach dem die alten Buchbinder hier die Blätter gebunden hatten, und er wusste genau, wie man im Rom des fünften Jahrhunderts oder im Konstantinopel des achten Jahrhunderts griechische Buchstaben geschrieben hatte. Oft waren es nur Winzigkeiten, denen es auf die Spur zu kommen galt.
    »Woher hast du sie?«
    »Von Athos. Eine ganze Woche habe ich danach gesucht! Sie scheinen aus einer Reihe zu stammen, die man ›Hp‹ nennt.«
    Mit einem Mal schien Gregory leicht bedrückt zu sein. »Der Rest ist weit verstreut oder verschollen. Zweiundzwanzig Bogen sind in Paris, deswegen bin ich hier. Acht sind in einem anderen Kloster auf Athos, je drei befinden sich in Moskau, Petersburg und Kiew und zwei weitere in Turin. Ich hoffe nur, dass ich die Gelder für die Reisen zusammenbekomme!«
    Am Nachmittag machte sich Burr auf in die Rue de Rivoli.
    Der Buchhändler Bracony war ein junger Bursche, achtzehn bis zwanzig Jahre alt, und sich offensichtlich in keiner Weise bewusst, was er da nach Bordeaux verkauft hatte. Charles X.
    war ihm jedenfalls gänzlich unbekannt. Er meinte nur, er habe den Packen von einem dem Aussehen nach besser gestellten Herrn, der vermutlich seinen Müll hatte loswerden und damit noch ein paar Franc verdienen wollen.
    George Lincoln erinnerte sich an den Staub, der sich in den Kordelknoten festgesetzt gehabt hatte und ihn schon in Bordeaux darauf schließen hatte lassen, dass das Bündel nie geöffnet worden war. Er sah sich im Laden um, konnte jedoch nichts entdecken, was seinen Puls in die Höhe getrieben hätte.
    Wie elektrisiert war er dann aber, als der junge Mann wie nebenher bemerkte, er habe noch einen anderen Buchladen, in der Nähe des Louvre, in dem er ausschließlich gebrauchte Bücher führe.
    Burr zog seine Taschenuhr hervor. »In zwei Stunden?«
    Der Buchhändler nickte. Burr erwog, in der Zwischenzeit seiner alten Vermieterin, bei der er bei seinem letzten Aufenthalt gewohnt hatte, einen Besuch abzustatten, und hatte sofort ihre fistelige Stimme im Ohr: »Monsieur, wenn Sie den Ofen einheizen, gehen die Kohlen extra… Monsieur, Sie haben nun schon so oft warmes Wasser geholt, das muss ich Ihnen separat berechnen!«
    Nein, lieber doch nicht! Er beschloss, stattdessen zum Postamt zu gehen und die Karte an Pee abzusenden. Danach wollte er den sonnigen Tag nützen und in einem Straßencafe die aufgelaufene Post aufarbeiten. Na ja, wenigstens einen Teil, dachte er, als ihm der Beamte den Packen aushändigte.
    Punkt fünf Uhr stand er vor der Nationalbibliothek, wo er sich mit Gregory verabredet hatte. Gemeinsam betraten sie nach einem der für Caspar typischen Eilmärsche den Buchladen, eigentlich ein kleines, muffiges Loch, für das Burr die Bezeichnung »Laden« ziemlich hochtrabend erschien.
    Zur Verstärkung hatte der junge Buchhändler seine Mutter mitgebracht. Während Burr und Gregory wortlos die Bestände sichteten, wuselten die beiden hin und her, sahen ihnen über die Schulter, wollten von Burr wissen, was er denn für den Charles X. bezahlt habe, und ließen kein Buch aus den Augen, das die beiden anfassten.
    »Ich habe da was für dich«, sagte Caspar nach einer Weile, aber er sagte es auf Latein, und als er die verdutzten Gesichter der beiden Braconys sah, machte es ihm Spaß, auf Griechisch weiterzureden. Sein Tonfall war belanglos, nichts, was irgendwie einen verräterischen Unterton hatte. »Das dritte rechts von dem, das ich jetzt ins Regal stelle, rot, daneben stehen noch zwei in derselben Farbe. Schau es dir unauffällig an!«
    Nachdem Burr eine angemessene Zeit hatte verstreichen lassen, trat er zum Regal und zog die beiden anderen Bücher

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