Die Lichtfaenger
Petrus und Paulus schuldig? Wenn Ihr schon mein Buch nicht lesen wollt, dann lest die alten Geschichtsschreiber, lest Tacitus, Sueton, Cassius Dio, Sulpitius und wie sie alle heißen! Gott ließ es damals zu, dass Nero unschuldige Christen folterte, wie er es heute zulässt, dass eben diese Christen ihre eigenen Schwestern und Brüder zerfleischen! Seht da Deutschland, so vieler Hexen Mutter! O Blindheit des Volkes!«
Spee hielt inne und blickte einen nach dem anderen an. Zwar schwiegen sie nun, aber er sah in ihren Augen, dass er sie nicht erreicht hatte. Sie hatten ihre vorgefassten Meinungen, übernommen von den Vorfahren, bestärkt durch Fürsten, Beamte, Richter, Theologen und die einfachen Leute.
Sie standen einfach nur da, mit unsicherer Hilflosigkeit, die Lippen zusammengepresst, den Blick ins Leere gerichtet.
»Ich werde nach Rom berichten! Ihr könnt jetzt gehen. Pater Friedrich bleibt noch hier!« Nickels Stimme klang kalt, abweisend, verhieß nichts Gutes für Spee.
»Gronaeus«, sagte Roestius im Hinausgehen noch zu Mohr,
»der Name kommt mir bekannt vor!«
Kaum hatten die Mitbrüder den Raum verlassen, kam ein Lächeln in das sonst so ernste, kantige Gesicht des Provinzials.
»Anscheinend haben wir die Spuren gut verwischt. Manuskript aus Marburg, Druck in Frankfurt und als Herausgeber ein Österreicher. Vielleicht sollten wir noch das Gerücht streuen, Gronaeus Austrius sei ein Jurist, sagen wir aus Wien. Du weißt schon, in ein paar Tagen ist er es dann auch. Wer könnte das machen?«
»Rektor Kasen?«
Sie nickten zufrieden.
»Übrigens – was hatte denn Pater Roestius immer mit dem Gronaeus?«
Spee konnte nicht anders, er musste lachen. »Den gibt es wirklich!«
»Was? Wie bitte? Mach keine Witze! Ich dachte, du hättest ihn erfunden!«
Spee lachte nochmals, als er Nickels Gesicht sah. »Johannes Gronaeus war der erstbeste Student, der mir nach unserem Gespräch damals über den Weg gelaufen ist. Er studiert hier Theologie und stammt aus Paderborn. Ich habe einfach einen Österreicher aus ihm gemacht und den kann ich nun wirklich nicht kennen, weil er gar nicht existiert!«
»Friedrich, Friedrich«, lächelte Nickel gequält, »über diesen Gronaeus Austrius werden sie sich noch den Kopf zerbrechen, wenn wir beide schon längst tot sind!«
Die beiden hatten es sich nicht leicht gemacht, nachdem Spee sich geweigert hatte, auch nur ein Komma zurückzunehmen, sondern im Gegenteil seine Schrift noch verschärfen wollte.
Als Jesuiten waren sie zwar zu absolutem Gehorsam ihren Oberen gegenüber verpflichtet, doch in gleichem Maße ihrem Gewissen.
»Darf ich einen Mörder täuschen, um seine Geisel zu retten?«, hatte Spee den Provinzial gefragt, aber keine Antwort bekommen, weil sie selbstverständlich war. Wenn er um eine Druckerlaubnis angesucht hätte, so würden sie die »Cautio«
sicher nach allen Unwägbarkeiten abgeklopft haben, da sie dann ja mit seinem Namen und somit seinem Orden verbunden gewesen wäre. Daher war sie anonym erschienen, eben von einem unbekannten und ungenannt bleiben wollenden katholischen Theologen.
»Du weißt, ich kann nicht viel für dich tun. Falls es auffliegen sollte, bleibt uns nichts anderes übrig, als dir die alleinige Verantwortung in die Schuhe zu schieben. Im Orden wissen genügend Leute, wer der Verfasser ist, und nicht alle sind so wohlwollend wie General Vittelesci.«
»Ich bin dazu bereit!«
Der warme Wind schob den wohlvertrauten Geruch vom Fischmarkt vor sich her, vermischte ihn mit dem Gestank der Kloaken und presste den fauligen Hauch durch die engen Gassen. Ein dürrer, zerlumpter Landsknecht schlug an einer Hausmauer sein Wasser ab, als Spee um die Ecke bog, ließ sich aber in seinem Tun nicht weiter stören, öffnete nur kurz seinen Mund zu einem zahnlosen Grinsen. Unendliche Traurigkeit umschlang Spees Herz, drohte das ehemals lodernde Feuer zu ersticken, saugte den Mut aus seiner Seele.
Zuerst hatte er dem Gerücht nicht geglaubt, doch Pater Kasen hatte es ihm gerade bestätigt. Einer der schrecklichsten Hexenkommissare, der Doktor Schultheiß, soll für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben werden! Schultheiß, der in Hexenfragen keinem Argument zugänglich war. Der gesagt hatte, wenn er des Adam Tanner habhaft werden könnte, würde er diesen hergelaufenen Tiroler ohne zu zögern hinrichten lassen. Nur weil dieser gefordert hatte, Hexen gehörten vor den Beichtvater und nicht in die Hände des Henkers! Sollte damit seitens
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