Die Liebe am Nachmittag
der ist sogar gerahmt. Auf Chaiselongue, Bettüberwurf und Kommode kleben Zierdeckchen, und alles ist so sauber und ineinandergefroren, als gäbe es hier auch morgens niemals Unordnung. Da hängt ein Vogelbauer, natürlich mit einem Kanarienvogel. Jetzt schweigt er. Es ist ja schon die Stunde der Nachtigall.
Diese derbe Schiffersfrau erwartet nicht, dass man sich vorstellt oder jemand ihren Namen wissen will, sie führt einen in ihre Schlafkammer, macht kein Geheimnis aus ihrem Leben, sie erzählt und will auch im Gegenzug kein Geständnis hören, irgendwie hat sie eine bessere Erziehung mitbekommen als die bessere Gesellschaft. Sie erzählt, sie hätten die Wohnung hier von einer Fischhandelsfirma als Gegenleistung dafür, dass sie die Ware bewachen. Die Ware, also die Fische, sind in Kisten auf Eis unter Deck. Von hier werden sie im Morgengrauen in die Markthalle gebracht.
Die Karpfen da unter uns schweigen, wenn sie wenigstens weinen könnten, die Armen dort unten in der Dunkelheit.
Auch das Mädchen schweigt, sie steht schon fast zehn Minuten schweigend Arm in Arm neben mir, ich habe gar nicht gemerkt, wie sie ihren Arm unter den meinen geschoben hat. Sie lehnt sich ein wenig an. Und plötzlich meldet sie sich.
»So interessant ist es hier. Ich bin glücklich, dass ich mit Ihnen herkommen konnte.«
Und sie wandte sich der Donau zu, die Laternen von Buda streuten Licht aufs Wasser und ein Lächeln auf Ibolys Gesicht.
»Schauen Sie, wie schön die Donau ist, schauen Sie doch.«
Ja, schön. Noch schöner wäre sie, wenn am Ufer entlang, von der einen Brücke bis zur anderen, hübsche kleine Holzkreuze ständen, mit den Namen all jener, die sich in ihren Fluten ertränkt haben.
Wir verabschiedeten uns von der Frau und auch von Socke, dem Hund. Ich gab ihr meinen Tabak und mein Zigarettenpapier für ihren Mann. Das Mädchen rief noch vom Steg zurück, sie würde Socke Zuckerstückchen bringen, demnächst einmal.
Und am Ufer musste man mit ihr nochmals stehen bleiben, sie wollte den Anblick des Schleppkahns genießen:
»Nie werde ich vergessen, dass ich hier gewesen bin.«
Sie wandte sich zu mir um, lächelte, seufzte leise, schmeichelnd: hmm.
Wollen wir nicht auf eine kleine Jause einkehren? Hier am Zollhausring finden wir gewiss eine anständige Konditorei.
Ach nein, es ist auch schon spät; sie essen daheim nämlich ziemlich früh zu Abend.
Und was gibt es zum Beispiel heute Abend?
»Heute? Kartoffelgulasch, glaube ich. Ich schwärme für Mamas Paprikakartoffeln, sie sind sensationell.«
Gut, dann müssen Sie daheim essen. Gehen wir. Meinen Arm hätte ich jetzt gern wieder zurück.
Und sagen Sie es mir jetzt gleich, ganz ehrlich, wollten Sie etwas von mir? Dass ich Ihnen irgendeine Tür öffne, im Filmstudio oder beim Rundfunk?
»Nein, nein, überhaupt nicht. Wissen Sie, um was ich Sie bitten möchte?«
Das wäre?
»Nur dass ich öfter mit Ihnen hierher kommen kann. Ich wollte Ihnen doch schon so lange schreiben. Aber ich habe mich nicht getraut.«
Iboly, Iboly.
Weißt du, mein Kind, wie alt ich bin? Uralt. Und dabei habe ich noch eine Menge Jahre unterschlagen.
»Das macht nichts. Für mich sind Sie jung.«
Sterne, kommt hervor, alle die ihr da oben wandelt.
Akazien, blüht noch einmal auf, augenblicklich.
Haltet an, ihr Autobusse, Trambahnen, Fahrräder.
Bleibt stehen, Leute, nehmt die Hüte ab und jubelt.
Zeitungsverkäufer, werft die Blätter weg und schreit sie hinaus, diese Sensation.
Blumenfrau du, sperr die Chrysanthemen nicht weg, streu sie aus, hier vor die Zwölfpengő-Schuhe dieser Holden.
Ihr Leute dort im Kaffeehaus, legt das Abendblatt weg, drückt euch die Nasen am Fenster platt, reißt eure Mäuler auf.
Herr Wachmann, salutieren, salutieren! Hier kommt ein Mädchen, bringt unter ihrer Bluse die Rosenknospe aus dem Feenland, ihr Mädchenherz.
Dieses Mädchen ist auf der Suche nach der Liebe. Deshalb ist sie auf diese Welt gekommen.
Ich habe sie gar nicht nach Hause gebracht. Bin am Nationaltheater ausgestiegen, sie ist mit der Trambahn in Richtung Stadtwäldchen weitergefahren. Beim Verabschieden sagte ich zu ihr, sie solle mich übermorgen anrufen, dann könne ich ihr schon sagen, wann ich wieder Zeit habe.
Als ich sie zurückließ, senkte ich das Haupt.
Zehn Jahre früher hätte ich sie heimbegleitet. Ja. Ich wäre mit ihr zum Abendessen gegangen.
Vor zehn Jahren hätte ich sie augenblicklich geduzt. Oder bis zum ersten Kuss gewartet, bevor mir das
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