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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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sie ziehen lassen. Nach dem Essen wollte ich eine Verflossene anrufen, die eine treue Seele war; nachdem wir Schluss gemacht hatten, rief sie mich noch einmal an, um zu sagen, dass sie mir gar nicht böse sei und wann immer es mir in den Sinn käme, solle ich mich doch einfach bei ihr melden, brauche nicht zu fürchten, sie könnte versuchen wieder mit mir anzubandeln. Wir haben uns dann auch einige Male in irgendwelchen einsamen Stunden wiedergesehen. Aber heute, heute müsste geküsst werden, das wäre das Gescheiteste. Doch dieses selbstlose Geschöpf war nicht daheim, sie ging einfach nicht ans Telefon. Mein Gott, vielleicht würde ich niemals mehr einen Menschen haben.
    Den ganzen Tag lang war ich betrübt, grämte und quälte mich.
    Was hatte ich mir einst alles ausgemalt für mich als Vierziger. Ich würde verheiratet sein, eine liebreizende Heilige zur Frau und zwei entzückende Kinder haben. Oder ich wäre ein romantischer Junggeselle, säße in einem riesigen Raum mit großer Bibliothek unter einer goldenen Bücherwand, die Wohnung hätte einer meiner Freunde vom Kunstgewerbe eingerichtet, und ein Auto würde ich besitzen; alles hinge nur davon ab, dass ich einen Welterfolg lande. Allerdings hat mir einmal ein verbitterter alter Schriftsteller prophezeit, ich würde niemals Erfolg haben, ich solle bloß nicht darauf spekulieren, der Erfolg gehöre den Schweinen.
    Richtig ernsthaft habe ich übrigens nie an eine so gelungene Zukunft geglaubt, aber es tat gut, gelegentlich davon zu träumen. Auch glaubte ich mit dreißig nicht, dass ich einmal die Vierzig erleben würde, wie ich auch mit zwanzig geschworen hätte, noch vor meinem Dreißigsten das Zeitliche zu segnen. Seit meiner Kindheit hegte ich die Vorahnung, dass ich jung sterben würde. Im Traum habe ich mich oft tot gesehen. Ich war schwächlich, erschauerte vor dem Leben. Aber schreiben wollte ich, so viel schreiben, dass ich mindestens hundert Jahre leben müsste. Jetzt war ich vierzig geworden, und wie weit hatte ich es gebracht? Von den himmelhohen Wunschträumen ist nichts zu Papier gebracht worden.
    Ich schreibe, was man darf und was man muss, doch am liebsten möchte ich schreiben, was eigentlich eine Schande ist: Operettentexte für Wien und die fünf Erdteile. Doch wie sehr ich mein Hirn auch schinde, es geht nicht, mir fehlt die Fantasie dazu.
    Mein Vater war Bartträger, er hatte einen Vollbart, Hosenmenschen, die nur einen Schnurrbart trugen, habe ich immer für irgendwie unfertig gehalten, für Schwindler. Ich kann vierzehn gewesen sein, als ich vor meinem Vater, gleichsam als Treuebeweis, das Gelübde ablegte, dass ich, wenn ich erst erwachsen wäre, ebenfalls einen Vollbart tragen würde. MeinVater lachte darüber, na ja, wir werden schon sehen, mein Sohn. Nun, ich trage weder einen Schnurr-, noch einen Vollbart, habe meinen Vater also betrogen. Als ich mich den Vierzigern näherte, musterte ich beim Kämmen gelegentlich mein Gesicht im Spiegel: das war ich also jetzt, genau das, ich sehe es. Brauche nun nicht mehr lange darüber nachzusinnen, wie ich wohl im Mannesalter aussehen werde. Ich weiß nicht, welche Physiognomie mir mit zwanzig für meine Vierziger vorschwebte, auf jeden Fall eine fremde, also das Gesicht eines Mannes, den ich nicht kannte. Dieses Fantasieren, die Unsicherheit sind für immer vorbei. Ich kenne mich jetzt. Mit fünfundzwanzig träumte ich, auf der Chaiselongue liegend, noch die wildesten Sachen, dachte, weiß Gott welche Wunder im Leben noch zu erwarten wären, welche merkwürdigen Ereignisse und überraschende Bestimmung mich in dieser wollüstigen, finsteren Welt noch erwarten würden. Fechtmeister könnte ich noch werden oder Bärenfänger; nachdem ich ein paar Wochen lang Unterricht im Fechten genommen und man mich hin und wieder auf irgendeinem Gut zur Hasen- oder Rebhuhnjagd mitgenommen hatte. Ich könnte Polarforscher werden oder Asienexperte, Sekretär des Emirs von Afghanistan, vielleicht auch irgendein Schiff versäumen und auf einer halbzivilisierten malaiischen Insel zurückbleiben, Arzt bei den Eingeborenen oder Plantagenbesitzer werden, bis ans Ende meiner Tage mit zwanzig kleinen, hellbraunen Eheweibern wie mit Kindern und auch mit meinen zweihundert Kindern wie mit Geschwistern spielen. Daheim wird man ständig über mich reden, in der Redaktion würde ich zu einer Traumgestalt werden. All diese Märchen sind längst Vergangenheit, ich bin hier und vertrocknet.
    Einstmals dachte ich, mit vierzig

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