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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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anfertigen kann. Auch dagegen, dass ich in der Brusttasche stets ein Notizbuch bei mir trage, hat er lange räsonniert, weil das nämlich die Brustlinie des Jacketts beeinträchtigt. Man soll seine Profession nicht ostentativ auf der Straße demonstrieren. Das tue ich auch nicht, trage weder meinen Schreibtisch auf der Schulter noch die Feder hinterm Ohr, ja nicht einmal eine Aktentasche habe ich, wie viele unserer Zunft, bei mir; in der Innentasche meines Überziehers oder in der hinteren Hosentasche bringe ich die Manuskripte in die Redaktion. Mein Notizbuch aber trage ich auch heute noch in der Brusttasche, doch der besorgte Freund ist mir inzwischen abhandengekommen. Am Ende des Krieges bemerkte ich, wie er immerfort den Stoff meiner Anzüge, meine Hemden und Schuhe musterte. Ich hatte zwar keine Flecken und Flicken auf meiner Kleidung, aber Wäsche und Kleider waren nicht mehr aus englischem Leinen und englischen Stoffen gefertigt. Mein alter Schneider und die Wäschelieferanten hatten mich aus ihren Kundenkarteien gestrichen. Sie mussten für die Börsianer arbeiten, kamen mit den Aufträgen kaum nach und waren nicht mehr daran interessiert, auf Kredit zu schneidern und zu nähen. Es war nicht mein Geschmack,was ich auf dem Leib trug. Und auch meine Sprache, mein Benehmen waren nicht mehr ganz meinem Naturell entsprechend. Ich stellte fest,dass ich weder stolz noch tugendhaft sein kann; Kredit und Vorschüsse bekommt man nur noch, wenn man sich mit denen verbrüdert oder lügt; auchder Direktor des neuen Kabaretts bevorzugt den Schmarren, den ihm seine Vorstadtpoeten anschleppen; wenn ich in meiner ewigen Geldnot einmal ein kleines Schmierenstück zusammenschustere, stelle ich mich mit strahlendem Blick bei ihm ein; also, werter Herr Direktor, heute habe ich einen Bomben-Einakter für Sie,der wird das Haus zum Toben bringen! Ich bin innen wie außen eine miese Doublette meiner selbst geworden. An der Front haben wir einmal darüber sinniert, ob der Krieg den Himmel und die Erde verfälschen kann. Am Himmel droben schwebten die Schrapnellwolken; in der Nacht spendeten die nach oben gerichteten Scheinwerfer gespenstisches Licht wie von unausgesetztem Wetterleuchten; von Zeit zu Zeit übertönten Salven das Donnergrollen; vor uns pustete das Trommelfeuer ein ganzes Tannenwäldchen vom Hügel weg, unten im Tal glich die ehedem blühende Wiese dem Bodensatz eines ausgetrockneten Sees; in die Aussaaten der Ebene und am lockeren Berghang riss ein Riesengeschoss Löcher, in denen man ein Dorfkirchlein hätte versenken können. Das Resümee sozusagen für sich behaltend, begann jener gewisse Freund, einen Bogen um mich zu machen. Für ihn war ich gescheitert. Unsere schöne Freundschaft hatte länger als zehn Jahre gewährt; wir waren zusammen gereist, hatten all unsere Träume und Eseleien ausgetauscht. Seit er sich verehelicht hatte, wäre ich ein »immer gern gesehener« Mittagsgast bei ihnen gewesen. Ich hatte bereits die Dreißig überschritten, da begann dieser empfindsame Freund, sich rar zu machen. Als ob ich meinen Haarschopf verloren oder man mir ein paar Zähne ausgeschlagen hätte. Ewig schade ist es um einen verlorenen Freund. Auch heute noch hakt er sich für fünf Minuten bei mir unter, wenn wir zufällig einmal denselben Weg haben; wie geht’s denn so?, aber es interessiert ihn nicht im Geringsten; wenn wir uns trennen: servus, und keiner von uns fragt: wann sieht man sich wieder einmal? Wären wir Eskimos, die alle dasgleiche Robbenfell tragen, oder schwarze Massai, die nackt herumlaufen, wir wären gewiss heute noch die besten Freunde. Vermutlich würde ich ihm als Einzigem von 5Fleurs erzählen, denn er kennt die Dame. So viel Diskretion gibt es nicht, dass der Mensch sich nicht wenigstens einer Seele anvertraut, ginge es auch um das heiligste und intimste Geheimnis; der Freund in jeder Herzensangelegenheit und Ratlosigkeit ist ein Muss, wie der Arzt und der Anwalt; jeder Mann, jede Frau hat wenigstens einen Vertrauten, bei dem sie ihr Herz ausschütten können; eine solche Beichte ist man diesem besten Freund, der besten Freundin schuldig; wir würden sie ja geradezu betrügen, wenn wir ihnen unsere größten Freuden oder den tiefsten Schmerz verschwiegen. Tatsache ist, dass ich über die 5Fleurs mit niemandem spreche; manche ahnen vielleicht, dass zwischen uns irgendetwas ist; weil sie mich beim Tarján oder bei Tennisturnieren regelmäßig an ihrer Seite sehen; aber keiner fragt, das gehört sich

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