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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Schublade: Darin finden sich ältere Familienväter, die im letzten Jahr zwei oder drei Wochen lang Arbeit hatten, andere mit noch weniger Arbeitszeit; nicht einmal die kann man in diesem Jahr noch in Lohn und Brot bringen. Mein Grafiker ist noch jung, er sagt: Ich weiß, mein Platz wäre schon in der Donau, gäbe es da nicht meine Braut!
    Auch einem meiner früheren Hoteldiener möchte ich zu Brot verhelfen; er konnte wunderbar Schuhe putzen und singen, sang verhalten im Hotelbüro, die Zimmermädchen gingen hinein, seinem Bariton zu lauschen. Er war ein verliebter Mensch, trug sein Haar so glänzend glatt wie ein Tangotänzer. Ich probiere es für ihn in diesem und jenem Hotel. Aber nirgends wird eingestellt, man muss vielmehr entlassen.
    Einen mit mir verwandten jungen Mann, ein armer Student, muss ich regelmäßig als Statisten beim Film unterbringen.
    So versucht man, sich für brotlose Stenotypistinnen, für arbeitslose Hochschulabsolventen nützlich zu machen; erst ist man bemüht, die Herrschaften zu amüsieren, um danach zu zittern, ob man ihnen mit diesem Thema nicht wieder die Laune verdirbt. Und schließlich weiß man die Antwort schon im Vorhinein: Unmöglich, mein lieber Freund! Man hat es ja nur zur Sprache gebracht, um sein Gewissen zu beruhigen.
    Geschiedene, plötzlich in Schwierigkeiten geratene Damender Gesellschaft soll ich als Übersetzerinnen empfehlen, bei Verlagen, bei Autoren; angehende Schriftsteller erwarten, dass ich über ihr Buch schreibe, sie bei irgendeinem Blatt protegiere; ich verbessere die Gedichte von Junglyrikern, damit ich es überhaupt wagen kann, sie irgendwo einzureichen und sie fünf Pengő dafür bekommen.
    Eine neue schmerzliche Erfahrung, dass man sich vergeblich für andere müht, man kann ihnen nicht helfen.
    Ich erzähle noch die Geschichte mit meiner Englischlehrerin. Das heißt, sie war gar nicht meine Lehrerin, vielmehr hat sie einmal eine Frau unterrichtet, mit der ich gerade befreundet war. Diese gealterte Miss klagte mir,dass sie seit etwa einem halben Jahr ihre Zähne verliere und bestimmte Mitlaute jetzt nur noch falsch aussprechen könne; die verschiedenen Varianten des für das Englische lebenswichtigen th etwa kämen nun ganz verfälscht aus ihrem Mund. Das bleibe nicht unbemerkt und habe Folgen, sie verliere einen Schüler nach dem anderen, nage inzwischen schon am Hungertuch. Ich entwarf einen kurzen Aufruf an Ungarns Zahnärzteschaft: ein Gebiss oder zwei Zahnreihen in Gottes Namen für das arme Vereinigte Königreich England! Im Handumdrehen meldete sich ein Dutzend Zahnärzte bei dem Blatt. Die 5Fleurs amüsierte diese Geschichte so sehr, dass sie der armen Miss fünfzig Pengő schickte. Die Miss lächelte mich bald mit zwei schneeweißen Zahnreihen an und bat darum, ich solle nun, bitteschön, mit einem ähnlichen Appell die Modesalons veranlassen, ihr zwei Kleider zur Verfügung zu stellen, ein Tages- und ein Abendkleid, schließlich müsse sie sich im Hinblick auf neue Schüler auch in Gesellschaft sehen lassen. Und es wäre auch nicht schlecht,wenn ich mich zugleich bei den Schuhmachern für sie verwenden könnte, sie sehne sich seit Langem nach schönen bequemen Schuhen, in denen sie ihre Hühneraugen nicht mehr schmerzten. Natürlich werde ich ihr auch Schüler besorgen. Dieses eine habe ich versucht, glauben Sie mir, verehrteMiss; ich kann nichts dafür, wenn die Leute, bei denen ich mich für Sie einsetzte, Sie nicht wollten; und glauben Sie mir, Miss, meine Zeit reicht nicht aus, um an jeder Wohnungstür in Pest anzuläuten und zu fragen, ob man nicht bei Ihnen Englisch lernen will. Doch die Miss wurde sogar in der Redaktion des Blattes vorstellig und klagte unter Tränen, wie schnöde ich sie fallen gelassen habe, wo doch sie es war, die mir mit diesem Appellieren an die Zahnärzte zu einem solchen Bekanntheitsgrad verhalf. Sie sei schon in vielen Orten auf dem Kontinent tätig gewesen, aber eine solche Undankbarkeit habe sie nirgends erleben müssen.

30.   Nacht
    Iboly.
    Wir befinden uns bereits in der Mitte des Monats März.
    Ich versetze mich nun zurück, von diesem Augenblick, da ich arbeite, ins vergangene Frühjahr und ein paar Monate voraus, und mich überkommt eine solche Schwäche, eine derartige Verwunderung. Ich habe dich nicht geliebt, Iboly, und habe jetzt wirklich gar nichts mehr mit dir zu tun. Was ich nun beim Schreiben durchlebe, das gibt es nicht mehr, es ist Vergangenheit. Unbegreiflich, dass etwas wirklich für immer

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