Die Liebe am Nachmittag
Mädchen interessiert er sich gar nicht mehr. Packt höchstens mal eine von den Hübscheren ein bisschen an, und auch das nur im Theater.«
Der Herr Tatai ist Lehrer in der Schauspielschule und zugleich Leiter des Instituts; laut Iboly haben alle in der Schule geglaubt, in diesem Jahr würde die Textil Ica die Glückliche, also die Primadonna der Prüfungsvorstellung, sein. Sie sieht von allen im zweiten Jahrgang am besten aus und ist dazu ehrgeizig; schon seit dem letzten Jahr verbreitet sie überall, sie würde nach der Frida Gombaszögi der Star am Theaterhimmel werden. Sie besitzt einen apfelgrünen Sportwagen, kommt jeden Tag in einem anderen Kleid und den dazu passenden Schuhen daher; ihr Freund stopft sie mit Geld voll, aber ich solle ja nicht glauben, dass die einmal einen Pengő oder ein paar Strümpfe übrig hätte für ein Mädchen, das auf so etwas angewiesen ist. Einmal, nach der Fechtstunde, wollte sie bemerkt haben, dass in ihrem Retikül ein Zwanzig-Pengő-Schein fehlte, mein Gott, was für ein Theater hat sie da veranstaltet! Ich gehe zur Polizei, wenn der Dieb nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden gefunden ist. Dabei könnte ich mir denken, dass keine, auch wenn sie es gewusst hätte, den Dieb verraten würde; denn bei jeder anderen sind die zwanzig Pengő tausendmal besser aufgehoben als bei der Textil Ica. Iboly gehört zu den wenigen, mit denen sich Ica abgibt, doch Iboly kann dieses Mädchen absolut nicht ausstehen und sucht ihre Gunst auch gar nicht.
Was diese kleinere Rolle, die Oly, angeht, so wird Maci, die Käse-Leder-Maci, alle Hebel in Bewegung setzen, um sie für sich zu ergattern, meint Iboly. Aber auch die würde vor Neid platzen, wenn sie es erfährt, wo sie doch nicht einmal sichersein kann, diese zweite größere Rolle zu bekommen, denn der Sekretär hat ein Schätzchen in der Schule, und der wird dieses Mädchen sicher protegieren; mit Geld ist bei Professor Tatai ohnehin nichts auszurichten; denn die Maci hat schon während des Schuljahres angedeutet, sie würde, wenn es so weit ist, auch ihren Freund mobilisieren, und dabei ginge es ihr nur um die Ehre, denn sie möchte sich bei der Prüfung nicht mit einer lächerlichen Rolle von fünf Wörtern vor ihren Bekannten produzieren.
Aber warum soll sie sich über Maci und alle Gedanken machen, die jetzt vor Neid platzen und sie vielleicht sogar wegen ihres unverhofften Glücks hassen.
Den ganzen Abend kichert und stöhnt sie vor Glück. Und morgen will sie dem Heiligen Antonius wenigstens fünfzig Heller stiften. Ach und dann wird sie daheim Bijou um den Hals fallen, auch Mama und Papa wecken, falls sie schon schlafen, denn die wissen ja noch nichts. Iboly ist nämlich nach der Schule gar nicht mehr daheim gewesen,weil sie gleich zu einer Aufnahme ins Studio hinausfahren musste. Sie wurde jetzt auch von der Theaterzeitung entdeckt: Man hat sie in die Gruppe attraktiver Mädchen aufgenommen, die in der Oster-Nummer als schönste Eier und schönste Häschen posieren dürfen. Iboly wurde vom Fotografen des Blattes nach intensiver Musterung ihres Gesichts als Häschen eingeteilt; so muss sie nun in Häschenkluft und auf den Hinterbeinen hockend zwischen ihren Schlappohren artig grinsen. Das ist für Iboly nicht uninteressant, denn unter jedem Hasen steht in der Zeitung der Name der Darstellerin.
Iboly kann so nett und unterhaltsam erzählen. Ich beobachte sie, spitze die Ohren, wenn sie redet und möchte etwas an ihr entdecken, was ich bis jetzt noch nicht vermutet habe.
Sollte dieses Mädchen tatsächlich etwas zu bieten haben? Deklamieren kann sie nicht, das wissen wir bereits. Aber Podium und Bühne sind zweierlei. Vielleicht hat sie doch schauspielerischesTalent. Ihre Lehrer müssen sie ja besser kennen, haben sie schließlich schon im dritten Jahr unter ihren Fittichen. Und dieser Professor Tatai ist ein ernstzunehmender Mann in seinem Fach, er würde Iboly nicht die Hauptrolle geben, wenn er nichts von ihr hielte.
Iboly hüpft und turnt auf ihrem Stuhl neben mir herum wie aufgezogen; sie ist an diesem Abend nicht zu bändigen.
»Nein, ich werde heute Nacht vor lauter Glück kein Auge zumachen! Ich will lernen, lernen. Wetten, dass ich die Rolle in einer Woche kann!«
Und sie packt meine Hand, umklammert und drückt sie mit ihren beiden Händchen:
»Nicht wahr, Sie werden mir helfen, mit mir lernen und üben? Auch zu Herrn Professor Tatai will ich gehen, er gibt Privatunterricht auf seinem Zimmer, letztes Jahr ist das
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