Die Liebe am Nachmittag
Diese Maci hätte es verdient, dass ich ihr die Hände küsse, wenn sie mir solchen Einfluss zutraut.
An den Vormittagen hat Iboly jetzt frei, sie wurde vom Fecht- und Tanzunterricht dispensiert, und auch der Nachmittagsunterricht entfällt für alle mitspielenden Eleven; dann wird nämlich auf der kleinen Hausbühne geprobt. Ab der kommenden Woche will Professor Tatai zudem den abendlichen Einzelunterricht mit Iboly aufnehmen.
Jetzt schläft die angehende Künstlerin bis zehn, elf, nie im Leben war sie eine so große Dame. Sie geht dann entweder ins Széchenyi-Bad zum Schwimmen, irgendwoher hat sie ermäßigte Eintrittskarten bekommen, oder sie besucht die Proben der Großen im Theater. Gern würde sie einmal am Vormittag zu mir zum Lernen kommen; ob ich es denn gar nicht einrichten könnte? Gott behüte, dass ich vormittags Zeit habe!
Also erst nachmittags widme auch ich mich Iboly, dann wenn die Probe in der Schule zu Ende ist, nach sechs. Zweimal jede Woche, manchmal auch dreimal. Ich gehe mit ihr in den kleinen Park unterhalb der Margaretenbrücke; auch auf der Margareteninsel sind wir schon zweimal herumspaziert. Natürlich wird sie vorher von mir zum Jausenkaffee eingeladen.
Sie mag die Margareteninsel lieber, da wäre mehr Atmosphäre, sagt sie, das sei doch die Insel der Verliebten.
Die Bäume sind noch kahl wie Neger; der Frühling lässt auf sich warten.
Ich finde die Bäume so, also ohne Laub, interessanter, da sind sie wahrhaft Persönlichkeiten; ihr bleiches Geäst ist, als wäre es ihre Gedankenwelt; in der Abenddämmerung, bei schwachem Nebel und auch im Winter, wenn die Kronen der Bäume mit Raureif überzogen sind, kann auch die feinste Spitzenkunst nicht schöner sein.
Nur der strahlendgelbe Forsythienstrauch erglüht als Prolog zum Frühlingsfest, ein wahrer Kronleuchter, den man im Ballsaal angezündet hat.
Und täglich erwartet uns, wenn wir auf die Insel gehen, eine neue Überraschung.
Heute war der Rasen von kleinen Gänseblümchen übersät, wir staunten, denn es sah aus, als wäre bei diesem frühlingsmilden Wetter Schnee gefallen. Iboly sagt, ihr kämen die vielen aufgeblühten Gänseblümchen vor, als hätten die Marktweiber aus Ärger, weil es keiner mehr kauft, ihr Popcorn hier ausgestreut.
Bis zum nächsten Mal war der Löwenzahn aufgeblüht, sogleich in voller Farbenpracht und Größe; vielleicht sind die goldgelben Rosetten gar nicht von unten gekommen,sondern wurden in der Nacht von jemand wie Reißzwecken in die Erde gepiekt.
Und heute,schau doch Iboly,fängt das Bärtchen der Trauerweiden an zu sprießen.
»Ach, ist die denn auch im Frühling traurig?«
Weißt du, mein Kind, die Weide und ich, wir sind auch im Frühling traurig.
Dann strecken uns die Ruten der Sträucher ihre winzig kleinen, grünen Zungen heraus.
Und auch die Akazienbäume überraschen uns damit, dass sie Blätter hervorbringen; so klein und dünn wie die Teigfleckerl in den Gasthaussuppen.
Eines Nachmittags entdecken wir auf der Inselpromenade einen Wurm, eingeringelt liegt er da, wie ein brandneues Bronzeringlein.
Bei unseren weiteren Ausflügen begegnen wir schon dem ersten Schmetterling, flatternd quert er unseren Weg, dieser Gemeine Kohlweißling, er ist so weiß, dass er fast noch grün erscheint, vor Lampenfieber taumelnd irrt er nach links und nach rechts, und hätte er eine Stimme, würde er wohl kreischen wie unsichere kleine Kinder auf Schlittschuhen.
Und junge Spatzen stellen sich vor; hüpfen eilig von Ast zu Ast, freuen sich, dass sie Flügel haben und tschilpen zum Beweis,dass sie ihre Stimme zu gebrauchen wissen; von all dem können sie gar nicht genug bekommen. Ihre kleine helle Brust so schnell wie möglich im Staubbad schmutzig zu machen, muss ihnen ein Bedürfnis sein; Läuse haben sie gewiss noch nicht, sie reiben sich die Brust mit Staub ein, weil sie lernen müssen, Dreckspatzen zu sein. Komisch, wie sie sich benehmen, es reizt zum Lachen!
Nach unseren Streifzügen sitzen wir noch eine Weile auf einer Bank, beobachten weiter die emsigen jungen und letztjährigen Spatzen, hören den Meisen, der Amsel und dem Rotkehlchen zu; hier braucht Ibolya Nachhilfe, sie kann die Strophen, das putzige Gegurgel und den langen Quieklaut nicht richtig zuordnen, kennt dieses Sängervölkchen überhaupt nicht.
Ich decke ihr entblößtes Knie zu, rate ihr, mit den Beinen die wärmenden Mantelschöße zusammenzuhalten, sie darf sich jetzt nicht erkälten; gegen Abend kühlt es stark ab. So
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