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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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großen Sinnstifterin: Der Sinn der Liebe ist die Schaffung von Sinn im Leben. Für viele verdichtet sie sich sogar zum Sinn des Lebens , bei ihrem Scheitern allerdings zu einer Sinnlosigkeit, die das ganze Leben in Frage stellt. Auf mehreren Ebenen können die Liebenden dieses Potenzial an Sinn füreinander erschließen, und es sind dieselben Ebenen, die bereits Diotima in Platons Symposion anspricht, damals verbunden mit einer Abwertung oder Hochschätzung einzelner Ebenen, die hier nicht mitvollzogen werden muss.
    Auf der körperlichen Ebene ist der Sinn der Sinnlichkeit erfahrbar, Eros , völlig erfüllend im jeweiligen Moment und mit der Aussicht darauf, auch alle anderen Ebenen zu erfassen. Auf der seelischen Ebene sorgt die gefühlte Bindung, Philia , für Sinn und kann weit über den Moment hinaus ein ganzes Leben erfüllen, ohne an intime körperliche Begegnungen gebunden sein zu müssen. Auf der geistigen Ebene entsteht mit Gedanken und ihrem Austausch Agape , die »platonische Liebe«, und die gedachten Zusammenhänge, die sie herstellt, können für sich stehen, ohne mit körperlichen und seelischen Elementen vermengt sein zu müssen. Auch eine Ebene der Transzendenz kommt in den Blick, bei der sich mit gefühlten und gedachten Zusammenhängen über alle Endlichkeit und Wirklichkeit hinaus ein Horizont der Unendlichkeit und Möglichkeit eröffnet. Je nach der Idee, von der die Liebenden sich leiten lassen, kann ihre Liebe einzelne oder mehrere Ebenen bespielen. Um die Beziehung mit ebensolcher Stabilität wie Flexibilität auszustatten, erscheint es sinnvoll, sie auf mehr als einer Ebene zu begründen und den Schwierigkeiten aufeiner Ebene durch den Wechsel auf eine andere zu begegnen. Eine reiche Fülle von Erfahrungen ergibt sich daraus, zwischen den Ebenen hin- und hergehen zu können und das Menschsein gemeinsam voll auszuschöpfen. Die Übergänge sind fließend, die Ebenen sind gleichwertig, ihre Reihenfolge ist keine Rangfolge, die körperliche Ebene ist nicht die »unterste«.

Sex und Erotik:
Die körperliche Kunst des Liebens
    Die körperliche Ebene der Liebe hat wesentlich mit Sexualität zu tun, also mit allem, was sich rund ums Geschlecht ( sexus im Lateinischen) abspielt, davon ausgeht und darauf zuläuft. Sobald Gedanken, Gefühle, Handlungen, allein oder mit Anderen, in irgendeiner Weise das Geschlecht tangieren, gewinnen sie eine auffällige, eigenartige Spannung. Nach der sexuellen Aufklärung und Befreiung kommt es jedoch auch in diesem Lebensbereich darauf an, der erlangten Freiheit lebbare Formen zu geben und eine sexuelle Lebenskunst , eine bewusste Lebensführung in geschlechtlichen Dingen zu entwickeln. Sie hält dazu an, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse und die Anderer auf dem Weg der Erfahrung kennenzulernen, auch die möglichen und wirklichen Probleme, die damit einhergehen können, um sie mit immer neuer Besinnung zu überwinden. Die Lebenskunst besteht sodann darin, nicht nur die sexuelle Seite des Menschseins zu entfalten, sondern auch an einem Können für das gesamte Leben zu arbeiten, das nicht nur mit Sex, sondern auch mit Alltagsbewältigung, nicht nur mit Lust, auch mit Schmerz, nicht nur mit Freude, auch mit Leid, nicht nur mit Leben, auch mit Tod zu tun hat.
    Vor dem erweiterten Horizont kann es eher gelingen, eine individuelle Antwort auf die Frage zu finden, welche Bedeutung Sex fürs Leben haben soll, und an einer individuellen sexuellen Kunst zu arbeiten, die es ermöglicht, buchstäblich Liebe zu machen , wie dies auch in anderen Kulturen zum Begriff geworden ist: to make love , faire l’amour , fare l’amore . Zweifellos gehört die Fähigkeit zur sexuellen Lust zu den natürlichen Anlagen des Menschen, aber sie bedarf der kulturellen und individuellen Ausbildung, um ihr möglichst gekonnt nachgehen zu können. Angebote der Sexualpädagogik, der sexuellen Bildung und Weiterbildung (Renate-Berenike Schmidt und Uwe Sielert, Handbuch , 2008) stehen zur Verfügung, um sich Wissen darüber anzueignen und Anregungen zur Verbesserung des Könnens aufzugreifen, bezogen auf das jeweilige Lebensalter. Auch bei dieser Kunst besteht das Können zunächst im Erwerb von Wissen, »was möglich ist«, um dann zu lernen, »wie man es macht«, schließlich mit Übung und Wiederholung, Erfahrung und Besinnung ein Gespür dafür zu entwickeln, »wie man es sehr gut macht«, und daraus die größte Befriedigung zu ziehen, ohne ein gelegentliches Misslingen wirksam

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