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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Probleme kulminieren bei bestimmten Fragen, die keine Besonderheit dieser oder jener Beziehung sind, sondern in vielen Beziehungen auftreten und sie früher oder später auf die Probe stellen. Keine Kleinigkeit ist zwischen zweien häufig die Geldfrage , die sich bereits vordrängt, wenn es noch gar keinen gemeinsamen Haushalt gibt: Wer bezahlt den Kinobesuch, wer die Rechnung im Restaurant, wer trägt welchen Teil der Urlaubskosten? Erst recht stellt sich die Geldfrage, wenn der Haushalt begründet wird, und oft sogar dann, wenn beide aufgrund eigenen Einkommens über Geld verfügen (Christine Wimbauer, Geld und Liebe. Zur symbolischen Bedeutung von Geld in Paarbeziehungen , 2003; Erich Kirchler, Christa Rodler, Erik Hölzl, Liebe, Geld und Alltag , 2000): Wer sorgt für diemateriellen Mittel? Wie werden sie aufgeteilt? Wofür werden sie ausgegeben? Wie viel stellt der, der die Erwerbsarbeit leistet, dem zur Verfügung, der die Familienarbeit in die Hand nimmt? Eine grundsätzliche gemeinsame Festlegung, wer für welche Teile des Haushaltsbudgets Verantwortung trägt, ist sinnvoll, um nicht in jedem Einzelfall von Neuem Verhandlungen führen und Auseinandersetzungen durchstehen zu müssen. Und selbst dann, wenn einer die alleinige Verantwortung übernimmt, ist der Andere gut beraten, einen Teil des Budgets für sich zu beanspruchen. Denn die anfängliche Großzügigkeit desjenigen, der über materielle Mittel verfügt, den Anderen immer und überall daran zu beteiligen, weicht allzu leicht der Kleinlichkeit, genau wissen zu wollen wofür, um die Freigabe »seiner« Mittel an die Durchsetzung eigener Interessen zu koppeln. Ganze Systeme der Belohnung und Bestrafung werden erfunden, um den Einsatz von Geld an die Befriedigung von Bedürfnissen zu koppeln: »Wenn ich dafür bekomme, was ich will.«
    Zum Problem werden Kleinigkeiten, die im Alltag eine große Rolle spielen; stellvertretend für andere Dinge wie Schuhe, Bücher, Zeitschriften, Seifenstücke, Zahnpastareste stellt sich beispielsweise die Sockenfrage . Am Umgang mit solchen Dingen, die eine Atmosphäre verderben können, entscheidet sich, was der Umgang miteinander noch bedeutet, denn sie sind »Träger vielfältigster symbolischer Bedeutungen« (Jean-Claude Kaufmann, Schmutzige Wäsche , 1992, 9). Nur anfänglich können diese Dinge beliebig in der Wohnung herumliegen, immer und überall , dann versucht einer, ihnen eine gewisse Ordnung zu geben, und sei es nur so viel, dass die Beziehung in den überhand nehmenden Anforderungen nicht erstickt; er trifft aber auf die Überzeugung des Anderen, dass es sich umNichtigkeiten handelt, die nicht der Rede wert sind. Derjenige, der sich für die Ordnung zuständig fühlt, weist den Dingen eine Bedeutung zu, die sich dem Anderen in keiner Weise erschließt; mit stupender Regelmäßigkeit kehrt die Kollision wieder, zermürbt die Liebenden und kann zu ihrem Zerwürfnis führen. Zu schlichten ist die Auseinandersetzung nicht mit einer Berufung auf die »richtige« Ordnung der Dinge, denn die kann auch eine chaotische sein und erleichtert gerade dann manch einem, sich gut in ihr zurechtzufinden, da sie organisch gewachsen ist. Wenn aber der wiederkehrende Grund für Ärger, der aus der unterschiedlichen Ordnung der Dinge resultiert, vermieden werden soll, ist es hilfreich, eigene Räume für die je eigene Ordnung festzulegen, für gemeinsame Räume eine gemeinsame Ordnung, im Zweifelsfall die Ordnung desjenigen, der die Arbeit des Aufräumens nicht scheut. Von Bedeutung könnte die Einsicht sein, dass die erotische Wirkung herumliegender Dinge, zumal mit Duftnote, um die sich irgendwann ja doch einer kümmern muss, sich in Grenzen hält – falls die erotische Wirkung in der Beziehung noch eine Rolle spielen soll. Der Erotik förderlich ist hingegen, wenn jeder sich an der Bewältigung der alltäglichen Dinge beteiligt und keiner den Anderen damit allein lässt; mehr Raum steht dann auch für andere Dinge zur Verfügung.
    Nur auf sehr verschwiegene Weise sind Geldfrage und Sockenfrage mit einer dritten verquickt, auf die in mancher Beziehung mit fortschreitender Dauer die Antwort immer weniger befriedigend ausfällt: Die Sexfrage . Heiß und innig ist die Liebe nicht an jedem Tag, auch nicht in jeder Nacht. Alltäglichkeit heißt grundsätzlich auch Allnächtlichkeit , in der sich die Zärtlichkeiten darin erschöpfen, wenigstens noch den Rücken des Anderen in der Verlorenheit der Nacht zu spüren,während die

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