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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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späteren Zeiten kann die Liebe wieder wie am Anfang sein, auch in ein und derselben Beziehung, und dies gerade dann, wenn der Beziehung nach einer Phase der Stagnation neue Impulse gegeben werden – sofern sie sich nicht überlebt haben soll. Es liegt nahe, ein Spiel um seiner selbst willen darin zu sehen, l’art pour l’art , aber die Kunst des Liebens baut, wie jede andere Kunst, Brücken über Abgründe, hier über den Abgrund der Getrenntheit zwischen zweien. Und auf allen Könnensstufen findet sie ihren Sinn im Erträumen, in der wirklichen Erfahrung und exzellenten Verwirklichungvon Schönheit . Das ist besonders auffällig am Phänomen der Liebe: Dass es in ihr von Grund auf und in jeder Hinsicht um Schönheit geht.

Die Schönheit der Liebe und der Liebenden:
Bejahen und Bejahtwerden
    Als schön kann gelten, was oder wer bejahenswert erscheint . Bejahenswert erscheint etwas oder jemand in einer Besonderheit, die keiner Vollkommenheit bedarf. Die jeweils aktuellen Kriterien der Schönheit in einer Kultur nehmen auf die Bewertung Einfluss, aber die letzte Instanz ist das Individuum selbst: Was mir schön erscheint, ist jedenfalls in meinen Augen »attraktiv«, es zieht mich an und ist mir nicht mehr »egal«, kein Fall von Gleichgültigkeit mehr, und zugleich ist es »nichts, wovon man jemals jemand anders überzeugen kann« (Alain de Botton, Versuch über die Liebe , 1994, 120). Seinen Reiz bezieht das Schöne aus den enormen Energien, die es offenkundig freisetzt: Sie steigern die Intensität des Lebens, und sie entstammen entweder dem Schönen selbst oder dem Menschen, der das Schöne bewundert, wenn nicht noch einer anderen, unbestimmten Dimension, die die Energien vorhält. Nach diesen Energien fahnden Menschen, und sie werden fündig, wenn sie die Schönheit eines Anderen entdecken, ja, geradezu die Inkarnation der Schönheit in ihm sehen und sich unversehens zu ihm hingezogen fühlen. Ist die Anziehung wechselseitig, kann eine Beziehung entstehen, in der die Erfahrung des Schönen zur Quelle der Liebe wird. In vierfacher Hinsicht sind Schönheit und Liebe untrennbar miteinander verknüpft.
    1. Schönheit macht Liebe. Wenn gefragt wird, wie Liebeentsteht, dann ist die Antwort klar: Den Anfang macht die Schönheit. Es ist die Wahrnehmung von Schönheit , die die Entstehung von Liebe zwar nicht erzwingen, die Wahrscheinlichkeit dafür aber entschieden erhöhen kann. In den verschiedensten Kulturen wird daher der oder die potenzielle Geliebte mit Mitteln der Schönheit umworben und verführt: Bereits auf körperlicher Ebene kann das, was schön erscheint, Menschen ansprechen und zum Grund für ihre Zuwendung und Zuneigung werden. Außer Blick gerät dabei vielleicht, worauf Platon schon drängte: Weniger auf die äußerliche , sinnliche, mehr auf die innerliche , seelische und geistige Schönheit zu achten, da bejahenswerte Gefühle, Charaktereigenschaften und Gedanken eine dauerhaftere Liebe wachrufen können als die sinnlichen Reize. In jedem Fall kann zu dem Menschen, der als schön wahrgenommen wird, eine Bindung eingegangen werden, unabhängig davon, ob seine Schönheit offen zutage liegt und auch von Anderen wahrgenommen wird, oder verborgen bleibt und sich nicht jedem erschließt.
    Die Schönheit kann naturgegeben, kulturell beeinflusst, aber auch individuell bearbeitet sein: Eine Arbeit an ihr ist möglich, sinnlich, seelisch und geistig. Mit seiner Arbeit an der Schönheit zielt ein Mensch auf die äußerliche und vielleicht innerliche Veränderung seiner selbst, auch auf die Veränderung seiner Lebensverhältnisse, damit Bejahenswertes und Liebenswertes in den Augen eines Anderen entstehen kann, ganz nach Ovid: »Damit du geliebt wirst, musst du liebenswürdig sein« ( ut ameris, amabilis esto; Ars amatoria , II, 107). Wo noch keine Liebe ist, kann diese Arbeit sie zum Leben erwecken, eine Beziehung begründen und sie so gestalten, dass sie bejahenswert erscheint. Wenn Shakespeare in Hamlet seinen Protagonisten von der »höchst verschönten« ( most beautified ,Akt 2, Szene 2) Ophelia sprechen lässt, muss irgendjemand auf irgendwelche Weise an dieser Schönheit gearbeitet haben: Hat sie sich selbst verschönert oder gar geschönt, körperlich, seelisch oder geistig? Ist sie von jemandem verschönert oder schöngeredet worden? Das Problem ist, dass die künstlich gestützte Schönheit trügerisch sein kann, da sie Bejahenswertes nur vorgaukelt; und die entscheidende Frage ist, ob die von

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