Die Liebe deines Lebens
lebten? Wenn Adam das wirklich glaubte, musste er schon sehr begriffsstutzig sein.
»Adam!« Maureen begrüßte ihn mit einer herzlichen Umarmung, in der er sich sofort steif machte. »Es tut mir so leid.«
»Danke. Das ist Christine, sie wird ein paar Tage hierbleiben.«
Maureen war sichtlich erstaunt, dass Adam von einer Frau begleitet wurde, die nicht Maria war, aber sie überspielte ihre Überraschung rasch und hieß mich willkommen. Als entschieden werden musste, wer wo übernachten sollte, konnten sie und ich unsere Verlegenheit allerdings beide nur schlecht verbergen. Im Haus gab es zehn Schlafzimmer, und Maureen wusste nicht, ob sie mich zu einem davon führen sollte oder einfach mit zu Adam. Zögernd ging sie vor uns her, sah sich gelegentlich um und versuchte, mit Adam Blickkontakt aufzunehmen. Aber von ihm kam keine Hilfe – er war nicht nur schwer mit Gepäck beladen, sondern auch völlig in Gedanken versunken, die Stirn in Falten, als müsste er einen Code dechiffrieren. Vermutlich hatte er das Haus vorige Woche in der Überzeugung verlassen, so gut wie verlobt zurückzukehren, und nachdem das schiefgegangen war, hätte er sich hier am liebsten gar nicht mehr blicken lassen. Doch nun war er schon wieder da, an diesem Ort, den er so zu hassen schien.
Schon die ganze Woche machte ich mir Sorgen wegen unserer Abmachung, aber diese Sorgen waren nichts im Vergleich zu dem, was ich nun in Adams Gegenwart empfand. Ich war Maureens Blick ausgewichen und einfach mit in sein Zimmer gegangen. Alles andere war mir für Adams Sicherheit zu heikel. Doch hier war er distanziert, kühl, sogar wenn unsere Blicke sich trafen und ich ihn aufmunternd anlächelte. Auf einmal konnte ich mir vorstellen, wie Maria sich gefühlt hatte und wie schwer es für sie manchmal gewesen war, mit ihm in Kontakt zu kommen, ihn irgendwie zu erreichen, seine Nähe zu spüren – um dann mit diesem rigorosen Rückzug konfrontiert zu werden. Zuerst dachte ich, es wäre ein Panzer, den er sich zulegte, aber ich irrte mich gewaltig. Es war kein Panzer, nein, es war, als hätte ein anderer Mensch von ihm Besitz ergriffen. Ein Adam, der voller Zorn, Kummer und Hass war, weil er die Kontrolle über sein Leben verloren hatte. Ein Adam, der zutiefst unglücklich war. Zwar hatte er schon in sehr jungen Jahren seine Mutter verloren, aber in anderer Hinsicht war sein Leben sehr behütet gewesen. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, woher seine nächste Mahlzeit kommen würde, er konnte sich darauf verlassen, dass seine Schulbücher ebenso gekauft wurden wie seine Spielsachen zu Weihnachten, dass er keine Angst zu haben brauchte, sein Zuhause zu verlieren – all diese Dinge waren selbstverständlich für ihn. Und er hatte es auch für selbstverständlich genommen, dass er der Herrschaft seines Vaters entfliehen und frei über sein eigenes Schicksal entscheiden konnte. Er brauchte sich keine Gedanken um das Familiengeschäft zu machen, denn es gab ja seine große Schwester, die es übernehmen konnte. Aber dann hatte sich alles verändert. Die Pflicht, der er immer ausgewichen war und deren erfolgreiche Vermeidung er regelrecht zelebriert hatte, war ganz beiläufig hinter seinem Rücken aufgetaucht, hatte ihn auf die Schulter getippt und ihn höflich aufgefordert, ihr zu folgen. Die Party war vorüber, der Glaube, sein Schicksal selbst in der Hand zu haben, ein anderes Leben für sich aufbauen zu können, verflüchtigte sich, schmolz vor seinen Augen dahin wie Eis in der Sonne.
Der Traum war zu Ende, und er mochte es nicht, wenn etwas zu Ende war, er mochte keine Abschiede, keine Trennungen, er wollte nicht weggehen. Veränderungen duldete er, wenn sie seinen eigenen Spielregeln gehorchten, und nur dann, wenn er bereit für sie war. Der Blick in seinen Augen, der Ton seiner Stimme, alles, was ihn zu Adam machte, hatte sich verändert, als ich mit ihm dieses Haus betreten hatte, und jetzt, wo ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass es schon begonnen hatte, als er vor einer Weile das Telefon aufgelegt hatte. Mir war übel, weil ich begriff, wie ernst Adam es damit meinte, diese Welt verlassen zu wollen, und ich wusste, wenn er es noch einmal versuchte, würde er es schaffen, denn er würde nicht ruhen, bis er Erfolg hatte.
Es war eins, jemandem zu helfen, der diese Hilfe annehmen wollte, und in Dublin war Adam dafür offen gewesen, aber hier in Tipperary spürte ich, dass er die Tür bereits verschlossen und sich emotional ganz von mir
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