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Die Liebe deines Lebens

Die Liebe deines Lebens

Titel: Die Liebe deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Moment schwieg ich, dann fuhr ich fort: »Um deine Frage zu beantworten: Nein, ich erinnere mich kaum an sie. Vermutlich trage ich diese Ohrringe deshalb jeden Tag. Das ist mir gerade erst klargeworden. Wenn mir jemand ein Kompliment wegen meiner Ohrringe macht, dann sage ich immer: ›Danke, die sind von meiner Mutter.‹ Als wäre das eine Methode, sie in meine Gespräche einzubeziehen, sie irgendwie real zu machen, zu einem Teil meines Lebens. Ich habe das Gefühl, meine Mutter ist eine
Idee
, eine Sammlung von Geschichten anderer Leute, eine Person, die sich auf den Fotos ständig verändert und auf jedem Bild anders aussieht, je nach Licht, je nach Perspektive. Wenn wir früher die Alben angeschaut haben, hab ich meine Schwestern dauernd gefragt: ›Hat sie so ausgesehen? Oder eher so?‹ Und dabei hab ich auf die verschiedenen Bilder gezeigt. Aber sie haben immer nein gesagt und meine Mum dann auf eine Art beschrieben, die auf keinem Foto zu sehen war. Selbst mein eigenes Bild von ihr vor dem Spiegel ist nur ihr Hinterkopf, ihr rechtes Ohr, ihr Kinn. Manchmal wünsche ich mir, dass sie sich in dieser Erinnerung umdreht, damit ich sie ganz sehen kann, manchmal bringe ich sie in meiner Phantasie sogar dazu. Wahrscheinlich klingt das jetzt ziemlich sonderbar.«
    »Nein, das klingt überhaupt nicht sonderbar«, erwiderte Adam leise.
    »Erinnerst du dich denn an deine Mutter?«
    »Bruchstückhaft. An Kleinigkeiten. Das Problem war, dass ich nie jemanden hatte, mit dem ich über sie sprechen konnte. Ich glaube, dann erinnert man sich besser an eine Person. Oder auch, wenn andere Leute Geschichten über sie erzählen. Aber mein Vater hat nie über sie gesprochen.«
    »Und sonst war niemand da?«
    »Wir haben jeden Sommer eine neue Kinderfrau bekommen. Wahrscheinlich war der Gärtner der Mensch, der am längsten bei uns war, aber er durfte nicht mit uns reden.«
    »Warum nicht?«
    »Anweisung meines Vaters.«
    Wir schwiegen lange.
    »Dein Ohrring findet sich wieder«, sagte er dann.
    Ich hoffte es.
    »Maria hat übrigens gesagt, sie kommt zu meiner Geburtstagsparty.«
    Ich hatte vollkommen vergessen, ihn zu fragen. Wie konnte das sein?
    »Gut. Großartig. Das ist … Adam, das ist doch toll.«
    Er sah mich an. Große blaue Augen, die sich bis in meine Seele brannten. »Ich bin froh, dass du es gut findest.«
    »Ja. Es ist wirklich …« Mir fiel außer »großartig« einfach kein anderes Wort mehr ein, also ließ ich den Satz unvollendet.
    Endlich wurde der Wagen langsamer, und ich setzte mich auf, begierig, einen Blick auf den Ort zu erhaschen, wo Adam aufgewachsen war. Die an den mächtigen Pfeilern angebrachten Tafeln verkündeten:
»Avalon Manor.«
Hier beachtete Pat sogar das Tempolimit, und so krochen wir langsam die Auffahrt entlang, die sich meilenweit dahinzog. Dann gaben die Bäume den Blick frei auf ein riesiges altes Herrenhaus. So riesig, dass es ein Hotel hätte sein können.
    »Wow.«
    Adam sah nicht sehr begeistert aus.
    »Hier bist du aufgewachsen?«
    »Ich bin im Internat aufgewachsen. Hier habe ich meine Ferien verbracht.«
    »Es muss doch wahnsinnig aufregend für einen kleinen Jungen gewesen sein, so viel zu erforschen. Schau nur die Ruine da drüben.«
    »Da durfte ich nicht spielen. Und es war einsam. Unsere nächsten Nachbarn haben ziemlich weit weg gewohnt.« Offenbar hörte er selbst den Tonfall des armen reichen Jungen, jedenfalls veränderte sich seine Stimme. »Das ist das alte Eishaus. Ich hatte immer den Plan, es zu renovieren und da zu leben.«
    »Dann wolltest du also doch hier wohnen«, stellte ich erstaunt fest.
    »Früher mal«, erklärte er und sah weg von mir, aus dem Fenster.
    Das Auto hielt vor der geschwungenen Treppe, die zu der riesigen Eingangstür führte. Sie ging auf, und eine Frau mit einem freundlichen Gesicht hieß uns willkommen. Ich erinnerte mich an sie aus Adams Geschichten, Maureen, die Frau von Pat, dem Chauffeur. Sie war seit dreißig Jahren Haushälterin – oder Hausmanagerin, wie Adam sie gerne nannte. Obwohl Adam sie nie als Mutterfigur gesehen hatte – die Kinderfrauen waren dafür angestellt, sich um ihn zu kümmern, und Maureen war zwar ein herzensguter Mensch und hatte auch selbst Kinder, aber ihre Arbeit beschränkte sich auf die Verantwortung für das Haus –, war ich sicher, dass Adam sich eine Chance hatte entgehen lassen. Denn wie konnte eine Frau wie Maureen die Augen verschließen vor zwei mutterlosen Kindern, die unter einem Dach mit ihr

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