Die Liebe deines Lebens
zu verpfuschen.
Entschlossen machte ich einen Schritt auf Susan zu, streckte ihr die Hand hin, schluckte und hörte das Zittern in meiner Stimme, als ich sagte: »Ich bin Christine Rose, ich war bei Ihrem Mann in der Nacht, als er …« Ich stockte und sah die beiden kleinen Mädchen an, die mich mit ihren großen blauen Augen fragend anstarrten. »… in der Nacht, als es passiert ist. Ich wollte nur sagen, dass …«
»Verschwinden Sie«, unterbrach Susan mich ruhig.
»Wie bitte?« Darauf war ich nicht vorbereitet. Auf einmal war mein Mund ganz trocken – ich erlebte meinen schlimmsten Albtraum. In meinen nächtlichen und frühmorgendlichen Horrorphantasien hatte ich mir diese Szene tausendmal vorgestellt, sie aber nie wirklich für möglich gehalten. Ich hatte meine Ängste als irrational abgetan, und das war das Einzige, was sie erträglich machte.
»Sie haben mich verstanden«, sagte Susan und zog ihre Töchter ein paar Schritte weiter ins Zimmer, so dass der Weg zur Tür frei wurde.
Ich war wie erstarrt. Das konnte doch nicht wirklich passieren! Erst als Adam mir die Hand auf die Schulter legte und mich sanft in Richtung Ausgang schob, kam ich endlich wieder zu Bewusstsein.
Wir sagten kein Wort, bis wir im Auto saßen. Als wir ein Stück gefahren waren, öffnete Adam den Mund, aber ich kam ihm zuvor.
»Ich möchte nicht darüber reden«, sagte ich und konnte meine Tränen nur mit Mühe zurückhalten.
»Okay«, antwortete er leise. Er sah aus, als wolle er noch etwas sagen, doch dann besann er sich eines Besseren und schaute aus dem Fenster.
Ich wünschte, ich hätte gewusst, was er hatte sagen wollen.
Ich war in Clontarf aufgewachsen, einer Küstenvorstadt im Norden von Dublin. Als ich Barry kennenlernte, zog ich entgegenkommend zu ihm in sein Viertel, nach Sandymount, wo wir in seiner Junggesellenbude hausten, weil er in der Nähe seiner Mutter bleiben wollte, die mich nicht mochte, da ich zur anglikanischen Church of Ireland gehörte, aber meine Religion nicht praktizierte. Ich war nicht sicher, was sie mehr störte. Als wir sechs Monate zusammen waren, machte Barry mir einen Heiratsantrag, wahrscheinlich weil das in unserem Bekanntenkreis damals jeder machte, und ich sagte ja, weil man das in unserem Bekanntenkreis sagte und weil das reife und erwachsene Menschen in unserem Alter eben taten. Sechs Monate später war ich verheiratet und wohnte in einer neuen Wohnung, die wir uns in Sandymount gekauft hatten. Die Party war vorbei, und nun erstreckte sich die Realität des Für-immer-und-ewig endlos vor mir. Ich arbeitete weiterhin in Clontarf, was jeden Morgen eine kurze S-Bahn-Fahrt bedeutete. Barry hatte sein Junggesellen-Apartment nicht verkaufen können, deshalb vermietete er es, und von der Miete bezahlten wir unseren Kredit ab. Wenn Barry jetzt einfach in sein Apartment zurückgezogen wäre, das er angeblich nur so furchtbar ungern verlassen hatte, wären viele unserer momentanen Probleme gelöst gewesen und ich hätte einfach weiter in Sandymount wohnen können. Aber nein, nun war ihm plötzlich unsere gemeinsame Wohnung ans Herz gewachsen. Außerdem auch noch unser Auto. Zum Glück konnte ich zurzeit den Wagen meiner Freundin Julie benutzen, denn sie war nach Toronto ausgewandert und hatte noch keinen Käufer dafür gefunden, obwohl er schon ein Jahr zum Verkauf stand. Als Gegenleistung hatte ich die Verantwortung für den Verkauf übernommen und vorn und hinten an der Windschutzscheibe ein Schild angebracht, auf dem »zu verkaufen« und meine Handynummer stand – was dazu führte, dass ich jede Menge Anfragen bekam und Testfahrten organisieren musste. Inzwischen hatte ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen offenbar furchtbar gern zu willkürlichen Zeiten anriefen, um sich nach genau den gleichen Details zu erkundigen, die auch im Automagazin vermerkt waren – als erwarteten sie, am Telefon eine völlig andere Auskunft zu erhalten.
Mein Büro lag in der Clontarf Road, auf der ersten Etage eines dreistöckigen Hauses, in dem die drei Tanten meines Vaters, meine drei unverheirateten Großtanten Brenda, Adrienne und Christine gewohnt hatten, nach denen meine beiden Schwestern und ich genannt worden waren. Jetzt befand sich in dem Gebäude die Kanzlei meines Vaters und meiner Schwestern, und da mein Dad überzeugter Feminist war, hieß sie
Rose and Daughters
. Dad arbeitete hier bereits seit dreißig Jahren, als die letzte noch verbliebene Tante beschlossen hatte, in die separate
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