Die Liebe deines Lebens
zugegeben hast, bei dir sehr oft der Fall ist. Du hast schon einmal versucht, diese Gedanken in die Tat umzusetzen, womöglich kommt das noch mal vor.«
»Na ja, ich hab dir gesagt, dass ich es tun werde, wenn sich nichts ändert.«
»Aber bis zu deinem Geburtstag gehörst du mir«, gab ich streng zurück. »Wir haben eine Abmachung, und in den nächsten zwölf Tagen werde ich mir alle Mühe geben, meinen Teil davon einzuhalten. Und du musst dich um deinen kümmern. Nämlich am Leben zu bleiben. Das ist deine Aufgabe. Den Anweisungen folgen und am Leben bleiben. Womöglich lernst du dabei sogar das eine oder andere über dich selbst. Und so kann ich dir helfen, Maria zurückzuerobern.«
»Na schön.«
»Okay. Zu dem Plan kommen wir gleich, es wird eine Weile dauern, ihn aufzuschreiben, aber zuerst möchte ich mich ein bisschen mit dir unterhalten. Ich würde gern besser verstehen, wo du dich momentan in deinem Leben befindest, wie du dich fühlst.«
Ich schwieg und ließ ihm Zeit für die Antwort. Er sah erst nach links und dann nach rechts, als suche er die versteckte Kamera.
»Ich fühle mich … selbstmordgefährdet.«
Ich wusste, dass er das sarkastisch meinte, lachte aber nicht.
»Nur damit du Bescheid weißt – selbstmordgefährdet ist kein Gefühl. Das ist ein Zustand. Frustration ist ein Gefühl. Eifersucht ist ein Gefühl. Aber selbstmordgefährdet zu sein, ist kein Gefühl. Du kannst Selbstmordgedanken haben, aber ein Gedanke ist einfach nur ein Gedanke, mehr nicht, und Gedanken ändern sich andauernd, weil wir sie selbst erschaffen. Wenn du erst mal den Unterschied zwischen deinen Selbstmordgedanken und deinen Gefühlen verstehst, dann fängst du an, deine Emotionen besser zu verstehen. Du kannst deine Selbstmordgedanken von deinen Gefühlen trennen. Du denkst nicht mehr: ›Ich will mich umbringen‹, sondern ›Heute bin ich wütend, weil meine Schwester das Land verlassen hat und ich deswegen die Firmenleitung übernehmen muss‹, und dann beschäftigst du dich mit deiner Wut. ›Heute fühle ich mich überfordert, weil der Job so viel Verantwortung mit sich bringt‹ – dann setzt du dich mit deinem Gefühl der Überforderung auseinander. Ich kann dir helfen zu lernen, deinen Selbstmordgedanken auf den Grund zu gehen, sie in Frage zu stellen und die Kontrolle über sie zu gewinnen. Also, Adam, wie fühlst du dich?«
Er rutschte unbehaglich in seinem Sessel herum, richtete seinen Blick dann aber aus dem Fenster, entspannte sich ein wenig und dachte über meine Frage nach.
»Ich bin … sauer«, sagte er nach einer Weile.
»Gut. Warum?«
»Weil meine Freundin mit meinem besten Freund vögelt.«
Das war nicht ganz die Antwort, die ich mir gewünscht hätte, aber ich nickte ihm aufmunternd zu.
»Ich fühle mich … wie ein Vollidiot, weil ich nichts davon wusste.«
Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel. Anscheinend begann er sich tatsächlich auf die Sache einzulassen. Er rieb sich das Gesicht und setzte sich aufrecht hin. »Aber ich habe das Gefühl, dass ich weiß, warum sie das gemacht hat. Was sie dir heute Morgen gesagt hat, darüber, dass ich manchmal so abwesend bin, das stimmt. Ich hab das Wesentliche aus den Augen verloren, ich hab mich von dem ganzen anderen Zeug, das passiert ist, ablenken lassen, und das hat dann die Oberhand gewonnen. Mir ging es überhaupt nicht gut damit. Aber jetzt kann ich Maria sagen, dass ich mich verändert habe, und dann überlegt sie es sich hoffentlich anders.«
»Wann willst du ihr sagen, dass du dich verändert hast?«
»Ich weiß nicht – heute?«
»Dann hast du dich also über Nacht verändert. Die ganzen Gefühle – dass du dich von der Arbeit überfordert fühlst, dass du sauer bist auf deine Schwester, weil sie dich im Stich gelassen hat, dass du verbittert und wütend bist, weil du einen Job aufgeben sollst, den du magst, nur um deiner Familienpflicht nachzukommen, dass du enttäuscht bist von deinem Leben, davon, wer du als Mensch geworden bist, dass du durcheinander bist, weil dein Vater todkrank ist, dass du das Gefühl hast,
du willst nicht mehr leben
… all das ist einfach … verschwunden?«
Er starrte auf den Boden, und sein Kiefer spannte sich an, während er nachdachte.
»Nein, aber das wird sich ändern. Du hilfst mir dabei. Das hast du versprochen.«
»Meine Hilfe fängt hier an, in diesem Zimmer. Die Dinge werden sich nicht ändern, bis
du
dich änderst. Also rede mit mir.«
Wir redeten
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