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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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unterschiedliche Welten, und die Bewohner der einen haben vergessen, was sie in der anderen dachten.
    »Ist Papa wieder böse auf dich?« Warum sagt Youri »wieder«? Mir stockt der Atem.
    »Aber nein, überhaupt nicht. Pablo macht sich bestimmt Gedanken über irgendein Problem, das mit seiner Arbeit zu tun hat.« Ich weiß nicht, wie ich die Sorgen eines Vaters beschreiben soll.
    »Sag nicht immer Pablo, wenn du über Papa redest.«
    Stimmt, ich sage häufig »Pablo«, wenn ich mit den Kindern über ihren Vater spreche, aber heute genügt es ihnen nicht, die Stirn darüber zu runzeln, sie werfen es mir vor! Und wenn ich ihnen sagen würde, dass ich ihren Vater eben erst kennengelernt habe und er für mich vor allem Pablo, mein Liebster, ist?
    Eines Tages, sehr viel später, wenn sie erwachsen sind, werde ich ihnen einmal erzählen, wie sehr ich sie liebte, als ich sie entdeckte. Später, wenn … wenn ich mein Gedächtnis wiedergefunden habe, was ich immer noch hoffe. Ich sage bewusst nicht »das« Gedächtnis, ich rede davon, meines wiederzufinden. Als wollte ich eine andere Person einführen, deren Leben ich heute eingenommen habe. Es ist paradox, aber ich glaube, ich könnte kein einziges der Gespräche, dieich mit den Kindern dieser anderen geführt habe, jemals vergessen. Und ich halte mich nicht für verrückt. Die Verrückte war die andere. Die Leidende, die Traurige, die gescheitert war, die etwas, jemanden oder einen Teil ihrer Seele, was weiß ich, verloren hatte. Das andere Ich hat sein Kind verloren. Sind das die Nachwehen? Ist man immer allein, wenn man ein Kind verliert? Kann man diese Trauer nicht zu zweit tragen? Man macht ein Kind zu zweit, aber man trägt und man verliert es allein. Warum wollte ich das nicht mit Pablo teilen?

    Ich stehe mit einem Pfefferminztee vor der Tür zu Pablos Arbeitszimmer. Er hat den Kindern einen Gutenachtkuss gegeben, dann hat er sich wieder in seinem Refugium verkrochen. Ich würde gern zu ihm gehen, aber ich traue mich nicht. Mir fällt nicht ein, mit welchem Spruch man seinen schlechtgelaunten Mann nach zwölf Jahren aufheitert. Ich klopfe und trete ein. Ich stelle das Tablett auf dem Tischchen ab.
    »Pfefferminztee, mein Schatz. Zeit für eine eheliche Pause.«
    Pablo lächelt mir zu. Endlich erkenne ich ihn wieder. Ich nehme ihn in den Arm und drücke ihn.
    »Pablo, ich liebe dich.« Es ist das erste Mal, dass ich es ihm sage, oder besser, es ihm mit zittriger Stimme zuflüstere. Er scheint meine Gefühle wahrzunehmen. Ich habe Angst, er erdrückt mich.
    »Deine Liebe tut mir so gut«, sagt er. »Wenn du wüsstest, wie sehr ich jeden Augenblick bedauere, den wir mit unserer Blödheit verschwendet haben.«
    Ich lege schnell die Hand auf seinen Mund. »Bitte keine Geständnisse, behalte es für dich, ich habe zu große Angst vor den Worten …«
    »Ja, ich weiß, dir gelingt es besser als mir, die Dinge nicht wieder hervorzuholen. Dabei warst du so … Du konntestdich immer an jede noch so idiotische und lächerliche Anekdote zwischen uns erinnern. Und auch unsere Ehekräche hast du nie vergessen. Du warst unser lebendes Gedächtnis. Wie machst du es nur, heute zu schweigen?«
    Ich lache nervös. Das ist einfach zu komisch. Und es scheint ansteckend zu sein, denn Pablos Stimmung hellt sich auf. Zwischen zwei Glucksern serviere ich den Tee. Ich habe nicht geträumt! Hat er mich tatsächlich »unser lebendes Gedächtnis« genannt? Die Sache wird immer interessanter. Ich könnte ihm entgegnen: Ich habe den Status gewechselt, ich bin unser totes Gedächtnis. Aber wäre dies nicht vielmehr die Gelegenheit zu sagen: Ich brenne darauf, dass du mir alles erzählst?
    Vielleicht muss man die Zeichen erkennen, wie Raphaël sagt. Vielleicht ist das die Chance zu reden. Beim Abschied hat Dominique es noch einmal wiederholt. »Dazu gehören zwei, Marie. Zur Liebe gehören zwei.«
    Nein. Bitte nicht heute Abend. Heute Abend habe ich dem Mann, der seit zwölf Jahren mein Geliebter ist, zum ersten Mal gesagt, dass ich ihn liebe. Lasst mich in Frieden, Dämonen der Erinnerung. Lasst mich heute Abend noch einmal diese Liebe erleben, von deren Begrenzung durch die Zeit und durch mich er nichts weiß. Lasst mir den Mann, der mir ein Kind gemacht hat, von dem er keine Ahnung hat, ein Kind, das gegangen ist. Gibt uns ein Kind, das geht, zu verstehen, dass es nicht bleiben wollte?
    Wir trinken den Tee. Unsere Augen glänzen. Sein Handy klingelt. Er stellt es ab, ohne nachzusehen, wer es

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