Die Liebe der anderen
Ende nahmen?«
Ich lächle ihn an. »Gar keine blöde Idee!«
Pablo nimmt den ironischen Unterton nicht wahr und fährt fort. »An deiner Stelle …«
»Du bist nicht an meiner Stelle.«
»Ich weiß, aber … Eine Liebe von neun Wochen, das ist lächerlich! Das hat keinen Sinn.«
»Ja, so kann man das sehen. Aber vermutlich habe ich mit diesem Leben, an das ich mich nicht erinnere, das aber trotzdem in mir ist, nie ganz abgeschlossen. Den Pablo, den ich zwölf Jahre lang geliebt habe, gibt es immer noch, hinter einer verschlossenen Tür.«
Er zieht die Augenbrauen hoch. Er wirkt ratlos. »Dusagst das so leicht dahin … Ich finde das alles so ungerecht, so grausam! Mit deinem Gedächtnisverlust ist auch für mich etwas verlorengegangen … Ich habe meine Frau verloren, und du sitzt ganz lässig da, scheinst das fast komisch zu finden.«
»Ich weiß … die ganze Situation ist abscheulich. Aber versuch dich in mich hineinzuversetzen: Auch ich zerbreche mir seit neun Wochen den Kopf, um zu verstehen, wie das Gedächtnis einer Beziehung funktioniert, wie eine Liebesgeschichte entsteht, wie sie vergeht. Weißt du, was ich meine? Ich habe nur ein paar Tage Vorsprung.«
Er fragt, ob ich ihn noch liebe, schließlich hätte ich den Dreckskerl ja verschwinden lassen, der mich verraten hat.
»Nein, Pablo, nein. Den habe ich nie kennengelernt. Den Dreckskerl gibt es gar nicht, höchstens in dir. Und in meinem Heft … Vergiss ihn. Hör zu. Schau mir in die Augen, und dann lass uns schlafen gehen.«
Er stößt mich weg. »Das ist mir ein bisschen zu einfach. Ich kann jetzt nicht so friedlich einschlafen wie du. Begreifst du das?«
»Pablo, ich habe mein Gedächtnis verloren, nicht meinen Verstand! Und ich würde sagen, das ist noch ein Grund mehr, die Dinge ruhen zu lassen. Ich bemühe mich lediglich, dem Rat meiner Großmutter zu folgen, die zu sagen pflegte: Man soll niemals einschlafen, ohne daran zu denken, dass morgen alles besser wird.«
Pablo ist aufgestanden. Er legt Musik auf. Ich bin neugierig, lausche gespannt: Jazz, Klavier, aber abgesehen davon …
»Wer ist das?«
»Jacky Terrasson. Kennst du ihn?«
»Nein, keine Ahnung.«
Er seufzt enttäuscht. »Ich wollte es nur mal testen. Wir haben ihn vor fünf Jahren auf einem Konzert gesehen. Du warst diejenige, die ihn mir vorgespielt hatte.«
»Ja, es ist verrückt, ich weiß. Ich habe es auch schon versucht, ich dachte, die Musik, ein Duft, ein Buch müsste doch irgendetwas auslösen … Aber es funktioniert nicht. Hin und wieder versetzt mich ein Geruch in eine besondere Stimmung, und ich spüre, dass da eine Verbindung existiert, aber zu einer richtigen Erinnerung führt das nie.«
»Hast du deshalb nicht mehr Klavier gespielt? Nicht mehr russisch gesprochen? Nicht mehr Tango getanzt? Und was ist mit Enrique, deinem Klavierlehrer? Ich habe ihn letzte Woche getroffen, er sagte, er müsse so viele Konzerte geben, dass er im Moment keine Zeit mehr für seine Schüler habe. Er weiß also Bescheid?«
Ich versichere ihm, dass Enrique einer der wenigen Eingeweihten ist, dass ich gezwungen war, mit ihm zu reden, weil er eines Tages auftauchte, um mir eine Stunde zu geben. »Genauso wenig, wie ich mit dir gesprochen habe, habe ich andere Leute in meinem Umfeld damit behelligt.«
»Marie, deine Ruhe beeindruckt mich. Ich muss sagen, früher warst du selten so gelassen. Ich bin fassungslos, empört über diese Situation, über dein Schweigen, über meine Dummheit. Ich kann das Ausmaß der Katastrophe nur erahnen, gewisse Dinge kapiere ich einfach nicht. Das eine oder andere würde auch ich am liebsten vergessen, und ich möchte verstehen. Irgendwas in deiner Geschichte stimmt nicht, ich weiß nicht, was. Kann sein, dass ich dir böse bin, aber ich weiß nicht recht, warum …«
Er lacht, weil ich lache. Der Humor war von Anfang an mein Verbündeter. Ich lache Tränen. Ich lache und denke an meine Großmutter, die immer sagte: »Menschen, die nie weinen, sind voller Tränen. Aber Menschen, die nie lachen, sind noch lange nicht voller Humor, das wüsste man!«
»Ich würde so gern alles ungeschehen machen, Marie, aber das geht nicht. Wenn du etwas wissen möchtest … auch über unsere schwierige Phase, über meine Affäre, dann musst du mit mir reden.«
»Das klingt wie ein Abschied. Nein.«
»Was soll das heißen, nein?«
»Ich möchte nichts wissen, weder über deine Affäre noch über diese Frau.«
»Dann lass mich dir wenigstens das Ende dieser Feier
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