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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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über mein Abenteuer schreiben werde, obwohl ich jetzt schon weiß, dass mir ohnehin niemand glaubenwird, denn meine Großmutter ist nicht mehr … Sie hätte diese Geschichte aus einer anderen Zeit verstanden. Das Gedächtnis zu verlieren, um eine Liebe zu retten, hat nichts mit Vernunft zu tun in einer Zeit, in der alles austauschbar ist. Bevor ich mit dem Schreiben beginne, schlage ich mein Lieblingsorakelbuch auf, das Wörterbuch. Nur zur Erinnerung hier die Definition eines Wortes: »vergessen: etwas oder jemanden aus dem Gedächtnis verlieren; etwas versehentlich nicht mitnehmen; jemandem etwas nicht vergessen: immer daran denken, dass jemand etwas für einen getan hat oder dass jemand einem etwas Böses getan hat; sich vergessen: seinem Gefühl unüberlegt nachgeben, unbesonnen sein …«.
    Vergessen heißt auch verzeihen.

Leseprobe aus

    Frédérique Deghelt

    Frühstück mit Proust

    Roman

    Aus dem Französischen
von Anja Nattefort

A ls Jade die Nachricht erreichte, dass ihre Großmutter Jeanne, ihre geliebte Mamoune, das Bewusstsein verloren hatte, beschloss sie auf der Stelle, sie zu sich zu holen. Erst am nächsten Tag war sie gefunden worden, hingestreckt auf dem Küchenfußboden des Bauernhauses in der Haute-Savoie, das sie allein bewohnte. Jade war gerade dabei gewesen, sich fertig zu machen, um mit Freunden auszugehen, als das Telefon klingelte. Dreiundzwanzig Uhr … Wer rief denn um diese Zeit noch an? Das konnte nur Julien sein, der wieder mal im Weltschmerz versunken war und sie sehen wollte. Jade zögerte. Seufzend nahm sie schließlich ab und war überrascht, die Stimme ihres Vaters zu hören, der seit über zehn Jahren auf einer Insel in Polynesien lebte. Jade schreckte hoch, als er ihr berichtete, dass Jeanne einen Schwächeanfall gehabt hatte und ohnmächtig zusammengebrochen war. Aber ihr Vater Serge hatte noch eine weitere schlechte Nachricht: Seine drei Schwestern, die nur einen Katzensprung von Mamounes Bauernhaus in der Haute-Savoie entfernt wohnten, sie aber nie besuchten, waren keineswegs bereit, das Ganze als einmalig und vorübergehend zu betrachten. Sie wollten auf Nummer sicher gehen. Mamoune hatte kein Wort mitzureden, auch weiter weg lebende Familienmitglieder wurden von der Entscheidung ausgeschlossen. Und Jades Vater wusste, dass er seine achtzigjährige Mutter nicht aus ihrer gewohnten Umgebung herausreißen und auf seine Insel holen konnte. Doch ihn hatte ohnehin niemand gefragt. Mamounes Anmeldung für das Pflegeheim war unterschrieben, seine Schwestern teilten ihm lediglich die Fakten mit.
    »Versuch doch mal herauszufinden, was da los ist«, bat er seine Tochter. »Zwar sagen sie, es sei nur eine vorübergehende Lösung. Aber in ihrem Alter, verstehst du …«
    Jade hörte ihrem besorgten Vater zu und konnte nicht begreifen, warum ihre Tanten es so eilig hatten, ihre Mutter, die sich immer fürsorglich um alle gekümmert hatte, einfach abzuschieben. Ohne ihr eine Chance zu geben, geschweige denn Hilfe anzubieten. Je mehr sie über diese Verschwörung nachdachte, desto größer wurde ihre Wut. Eine der Schwestern war Ärztin. Das machte es noch einfacher, Mamoune mit einem ärztlichen Gutachten ins Heim zu stecken, nur weil ihr das erste Mal im Leben ein kleiner Patzer unterlaufen war.
    Es war sicher eine total verrückte Idee. Aber vor lauter Empörung beschloss Jade, sich gleich am nächsten Tag ins Auto zu setzen und Mamoune zu sich zu holen. Sie wusste, dass sie sich Kilometer für Kilometer abwechselnd die Argumente aufzählen würde, die dafür und dagegen sprachen. So ging es ihr immer nach einer überstürzten Entscheidung.
    Erst vor kurzem hatte Jade sich Hals über Kopf von Julien getrennt, nachdem sie ihn fünf Jahre lang für den Mann ihres Lebens gehalten hatte. Seit zwei Monaten lebte sie allein in ihrer Wohnung. Und nun wollte sie, die sich für beziehungsunfähig hielt, ihr Leben mit einer Achtzigjährigen teilen? Nein, das war absolut lächerlich und undenkbar. Jade wusste, dass ihr zweites Ich, die Jade, die ihr regelmäßig Knüppel zwischen die Beine warf, sobald sie ihrer tollkühnen Seite nachgab, ihr mit bohrenden Fragen zusetzen würde. Sie würde herumnörgeln und versuchen, ihre Entrüstung mit plausiblen Argumenten auszuhöhlen. Sie würde ihr zum Beispiel sagen, dass sie den ganzen Tag arbeite und nie sicher sein könne, ob bei Mamoune alles in Ordnung war. Und wenn ihre Tanten recht hatten und ihre Großmutter wirklich irgendwann rund um die

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