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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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lassen, die ein berittener Bote von Königsberg nach Krakau und zurück benötigte. Zwei Wochen waren für eine Strecke anzusetzen, hatte Jörg ihr mehrmals versichert. Hinzu kam die Zeit, die sich Veit für das Verfassen einer Antwort nehmen würde. Seit ihrem Brief an den Vetter waren ziemlich genau vier Wochen vergangen, also musste Veit sich gleich hingesetzt und ihr zurückgeschrieben haben. Das Schreiben des Herzogs an den polnischen König, zu dem Hausvogt Göllner ihn überredet hatte, war gewiss einige Tage vorher in Krakau eingetroffen. Ein herzoglicher Bote war schneller unterwegs als der eines gemeinen Bürgers, noch dazu, wenn er Nachrichten für einen König überbringen musste. Wenn Veit also wirklich so schnell herausgefunden hatte, was Göllners Machenschaften für Dora bedeuteten, mochte das nichts Gutes besagen. Plötzlich wurde Gret bang. Kaum konnte sie dem Boten die Hand entgegenstrecken.
    Stocksteif stand der dürre Mann da, deutlich darum bemüht, keine Miene zu verziehen, um sein Interesse an dem häuslichen Streit, den sein Erscheinen entfacht hatte, nicht zu verraten. Gret kannte solche Boten nur zu gut. Viele Jahre hatte Oheim Wolf Wurfbein als Einspänniger in seiner Heimatstadt Nürnberg zugebracht.
    »Das gefällt Euch, was?« Sie versuchte nicht allzu unfreundlich zu dem Mann zu sprechen. Der Ärger, den sie in sich spürte, entsprang doch eher ihrer Angst vor dem Inhalt des Briefes als vor dem Verhalten des Mannes. »Leider aber ist das Schauspiel für Euch schon zu Ende, bevor es so richtig begonnen hat. Wie ich eben schon meinem Schwäher erklärt habe, verbergen sich hinter diesem Schreiben keine Geheimnisse. Gebt es mir bitte, dann kann ich es allen laut vorlesen.«
    Trotz ihrer Aufforderung verzog der Mann keine Miene und regte sich nicht. Unzählige Stunden musste er im Sattel zugebracht haben. Seine Wangen waren von der Anstrengung noch immer deutlich gerötet.
    »Bringt ihm einen Krug Bier«, wies Gret Mechthild an.
    »Erst soll er den Brief übergeben«, blieb Wenzel Selege unerbittlich. »Den Lohn gibt es erst nach getaner Arbeit.«
    »Seid Ihr Gret Selege, Gattin des Jörg Selege, gebürtig aus Nürnberg und nun wohnhaft in …«, rasselte der Bote daraufhin seinen längst überfälligen Spruch.
    »Ja, die bin ich«, unterbrach sie seine Litanei. »Wollt Ihr einen Pfarrer, der das bezeugt, oder reichen Euch mein Schwäher und das Hausgesinde?«
    »Hier habe ich für Euch ein Schreiben aus Krakau.«
    Er deutete eine Verbeugung an, sie schnappte ungeduldig nach dem Brief. Kaum fühlte sie das Papier in Händen, wurden ihr die Knie weich. Mechthild schob ihr einen Stuhl hin und drückte sie behutsam darauf nieder.
    »Wer schreibt dir aus Krakau? Etwa Dora? Warum schreibt sie nicht an mich? Ich bin schließlich ihr Vater.«
    Auf einmal stand der Schwäher neben ihr und schaute ihr neugierig über die Schulter. Offenbar war seine Wut verraucht. Stattdessen schwang in seinen Worten echte Besorgnis mit.
    »Der Brief stammt von meinem Vetter«, entschlüpfte es Gret.
    »Von deinem Vetter?«, brauste Wenzel erneut auf. »Du weißt also, wo er steckt? Was hast du noch mit ihm zu schaffen? Er ist für den Tod deines Schwagers Urban verantwortlich. Seinetwegen ist meine arme Tochter …«
    »Das wissen wir alles«, unterbrach Jörg das Gezeter seines Vaters. Überrascht schaute Gret zur Kellertür. Jörg musste von dort aus bereits eine geraume Weile das Geschehen in der Diele mitverfolgt haben. Gemessenen Schrittes kam er auf sie zu und nahm ihr wie selbstverständlich den Brief aus der Hand. »Es wundert mich, dass dein Vetter dieses Mal an dich und nicht wie sonst an mich schreibt.«
    »Was?« Wenzels Gesicht färbte sich tiefrot vor Zorn. Die Augen traten weit aus den Höhlen vor, dick angeschwollene blaue Adern traten an den Schläfen hervor. »Heißt das, du stehst ebenfalls mit ihm in Verbindung? Wie lange geht das schon? Weiß Dora davon? Ist sie deshalb nach Krakau unterwegs? In Wahrheit will sie sich also für Urbans Tod an ihm rächen. Wie könnt ihr das zulassen? Wieso habt ihr hinter meinem Rücken mit einem, einem …«
    Die letzten Worte keuchte er bereits mehr heraus, als dass er sie noch deutlich auszusprechen vermochte. Mitten im Satz brach er ab und griff sich an den Hals, japste nach Luft, wurde plötzlich aschfahl im Gesicht.
    »Um Gottes willen!« Gret sprang von ihrem Stuhl, schob ihn dem Schwäher hin. Auch Jörg erschrak über Wenzels Gebaren und stürzte

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