Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
erstarrte. Sein Gesicht verzog sich beleidigt.
»Wann, wenn nicht jetzt, soll er anfangen, das zu lernen?«, fragte sie ihren Gemahl.
»Also gut«, knurrte er, immer noch wenig begeistert. Dann aber gab er sich einen Ruck. Er klatschte in die Hände und wandte sich den beiden Knechten zu. »Ihr habt es gehört. Fürs Erste macht mein Bruder mit euch hier unten weiter. Sein Wort gilt dabei ebenso wie meines oder das meiner Frau. Denkt beim Zählen und Vergleichen mit den Bestellungen unbedingt daran, dass wir am Ende noch mindestens fünf Fässer mehr an Vorrat haben sollten. Falls das Bier in einem Fass doch einmal schal geworden ist oder einer der Wirte noch einmal neue Wünsche anmeldet, bringt uns das nicht so rasch in Verlegenheit.«
»Du hast aber schnell begriffen, worauf es ankommt.« Aufmunternd lächelte sie Jörg an.
»Ich habe halt eine gute Lehrmeisterin«, erwiderte er. Gerade als sie ihm für das unverhoffte Lob einen Kuss auf die Wange drücken wollte, zog er ein kleines Buch aus der Rocktasche. »Oder hast du vergessen, wie eifrig ich die Aufzeichnungen meiner Ahnfrau Agnes über das Bierbrauen studiere? Auch sie hält immer zu einer klugen Vorratshaltung an. Schade nur, dass sie die Braupause im Sommer sowie die Unterscheidung von Sommer- und Winterbier noch nicht gekannt hat.«
»Für manch Neues muss ich auch noch gut sein«, stellte Gret fest und hauchte ihm doch noch den Kuss auf die Wange. Dann warf sie einen letzten Blick in den weiträumigen, angenehm nach Gegärtem duftenden Keller, bevor sie der buckligen Magd über die ausgetretene Treppe in die Diele folgte.
»Was soll das heißen, der Bote will die Nachricht nur an dich übergeben?«, empfing sie in der Diele Schwäher Wenzel. Der Unmut, derart in seiner Eitelkeit als vermeintlich wichtigster Mann im Haus übergangen zu werden, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Seit wann stehst du mit Leuten außerhalb der Königsberger Städte in Kontakt? Ich hoffe für dich, dein Gatte weiß davon.«
Seine braunen Augen funkelten zornig. Er zupfte an seinem Bart. War er derart aufgebracht, wirkte sein breites Gesicht noch kantiger und schroffer als sonst.
»Natürlich weiß mein lieber Gemahl über alles, was ich tue, Bescheid. Warum sollte ich Geheimnisse vor ihm haben?« Gret rang sich ein beruhigendes Lächeln ab, auch wenn sie ihren Schwäher am liebsten mindestens ebenso wütend angebrüllt hätte wie er sie. Schnaufend stieg sie die letzte Stufe hinauf und schob sich an ihm vorbei in die Diele.
»Heißt das, auch Jörg wusste die ganze Zeit von Doras törichtem Plan, mit Steinhaus nach Krakau zu reisen?« Wenzel Seleges Schnauben wurde immer kurzatmiger und aufgeregter. Er stapfte hinter ihr her, ebenfalls geradewegs auf den Boten zu. »In meinem eigenen Haus bin ich damit wohl der Letzte, den man über solche Angelegenheiten in Kenntnis setzt. Wie lange geht das schon, dass ihr hier alles hinter meinem Rücken entscheidet? Sieht fast so aus, als hättet ihr das Sudhaus im Hof und diese widersinnige Sommerpause beim Brauen nur deshalb in Angriff genommen, um mich von wichtigeren Geheimnissen fernzuhalten.«
»Da täuscht Ihr Euch aber gewaltig. Gar nichts wurde von Jörg und mir hinter Eurem Rücken entschieden.« Gret zwang sich, Ruhe zu bewahren. »Eure Tochter hat Euch höchstselbst und ganz ausführlich erklärt, warum sie mit Steinhaus nach Krakau reisen musste – um dort eine dringende Angelegenheit ihres verstorbenen Gemahls zu klären. Macht Euch keine Sorgen. Längst befindet sie sich schon wieder auf der Rückreise und trifft hier ein, bevor wir mit dem Brauen des Winterbieres beginnen.«
Das war das falsche Stichwort. Wenzel Seleges Antlitz verfinsterte sich noch weiter. Die Falten auf der Stirn und um den Mund gruben sich immer tiefer ein. Gret überging das. Eine Auseinandersetzung über ihre neue Brauweise konnte sie jetzt am allerwenigsten gebrauchen. Rasch drehte sie sich weg, damit Wenzel die Röte auf ihren Wangen nicht entdeckte. Nach allem, was inzwischen passiert war, glaubte sie ihren Worten von Doras baldiger Rückkehr selbst erst, wenn sie wieder leibhaftig vor ihr stand.
Der Bote räusperte sich vernehmlich, Mechthild stupste sie an. Gret erfasste ein Zittern. Bei einer Nachricht, die ausschließlich an sie persönlich übergeben werden durfte, konnte es sich nur um die lang ersehnte Antwort von Veit handeln. Wie viele Tage und Nächte hatte sie darauf gewartet, kaum geduldig die Zeit verstreichen
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