Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
rechten Fuß zog er dabei noch auffälliger nach, als es Dora zuvor erschienen war.
Kaum war sein leuchtend rotes Haar vom Dunkel des Kellers aufgesogen, wagte sich der Büttel zu regen. »Der Mann kann viel erzählen, er ist kein offizieller Abgesandter des …«
»Halt dein elendes Maul!«, brüllte Wierzynek los. »Schaff mir das Weib aus den Augen und den dreckigen Priester gleich mit! Und dann sorge dafür, dass ich deine dümmliche Fratze zeit meines Lebens nicht mehr vor Augen habe.«
Er holte aus und verpasste dem Mann eine derart heftige Maulschelle, dass der von der Wucht gegen die Wand torkelte und sich die Nase blutig schrammte. Zu guter Letzt spuckte der Gerichtsvogt vor Dora auf den Boden und stürzte davon. Sobald er im Dunkel des Ganggewirrs untergetaucht war, atmete Dora auf.
»Ihr hattet recht«, wandte sie sich an den Pfarrer. »Es gibt tatsächlich einen Hoffnungsschimmer. Ich freue mich darauf, den königlichen Kerker auf dem Wawel kennenzulernen.«
»Freut Euch da mal nicht zu früh«, knurrte der Büttel, nachdem er das Blut an seiner Nase unter lautem Stöhnen mit dem Ärmel seines Rocks abgewischt hatte. »Die Keller auf dem Berg sind noch tiefer und weit verzweigter als diese hier. Die Mauern sind so dick, da hört Ihr nicht einmal mehr das Gebrüll aus der Folterkammer, selbst wenn Ihr im Verlies direkt daneben hockt. Wer dort landet, der sieht das Tageslicht nie mehr wieder. Mag der König noch so bemüht sein, jedem seinen Glauben zu belassen, solange er nur aufrichtig ist, so kennt er bei heimtückischen Mördern und anderen Galgenvögeln keine Gnade, nicht einmal, wenn es sich dabei um eine Frau aus der Stadt seines Lieblingsneffen handelt.«
»Da hört Ihr es«, raunte Tönnies. »Ich glaube nicht, dass Ihr nach Baranamis Auftritt wirklich hoffen dürft.«
»Überlasst das besser mir«, erklärte sie trotzig. »Wer so wie ich hier unten endlose Stunden versauert ist, der sieht selbst im dunkelsten Verlies auf der Burg eine Befreiung, noch dazu, wenn man darin von den Schreien der Gemarterten verschont wird.«
3
D ie Unruhe im Lagerkeller störte Gret, dabei musste sie sich gerade aufs äußerste konzentrieren. Seit dem Morgengrauen zählte und rechnete sie mit den beiden Brauknechten. Vorhin war ihr junger Schwager Lienhart aufgetaucht und wollte unbedingt mithelfen, und jetzt war auch noch Jörg da. Er zeigte sich so interessiert an ihrem Tun, dass er ihr nicht mehr von der Seite wich. Fehlte nur noch der Schwäher. Ihm traute sie ebenfalls zu, sich ins Rechnen einzumischen. In letzter Zeit hatte er sich immer häufiger ungefragt in die Lagerhaltung eingeschaltet.
»Dein Plan scheint bestens aufzugehen«, stellte Jörg mit einem stolzen Lächeln fest »Diesen Sommer haben wir weitaus mehr Fässer Bier verkauft als alle Jahre zuvor. Wir hätten im Frühjahr noch kühner Brau von anderen Brauern aufkaufen sollen. Auch das wären wir gut losgeworden. Die Königsberger lieben einfach den Geschmack deines herben Sommerbieres.«
»Es schmeckt nicht nur besser, es ist auch weitaus haltbarer als das herkömmliche«, ergänzte Gret. »Außerdem beschert uns die Braupause von Georgi bis Michaeli zusätzliche Zeit, um uns um unsere sonstigen Geschäfte zu kümmern.«
»Vater sieht das ähnlich«, meldete sich Lienhart vorlaut zu Wort. »Erst gestern hat er gesagt, dass er ab Herbst öfter im Sudhaus beim Brauen mithelfen will.«
»Wollen wir hoffen, er erinnert sich im Oktober noch daran.« Gret wollte der ungewohnten Begeisterung des Schwähers noch nicht so recht über den Weg trauen.
»Solange Geld damit zu verdienen ist, ganz bestimmt.« Jörg schmunzelte. »Längst hat er eingesehen, wie gut es war, im Hof ein eigenes Sudhaus zu bauen. Inzwischen nehmen wir mehr Geld mit Bier ein als mit der Baukunst. Da leuchtet selbst ihm der Vorteil ganz von selbst ein.«
»Jetzt muss nur noch mit den Vorräten alles glattgehen.« Erschöpft sah Gret über die lange Reihe der Fässer. Sosehr sie der bisherige Erfolg freute, so sehr strengte sie die Rechnerei gerade an. Die Vorräte des Sommerbieres neigten sich unweigerlich dem Ende zu. Deshalb musste sie nun genau achtgeben, durfte keine Bestellung vergessen und kein Fass übersehen oder gar zu viel zählen, sonst kam alles durcheinander, und die Wirte ärgerten sich am Ende, weil sie das bestellte Bier schuldig blieb. Genau das aber galt es um jeden Preis zu vermeiden. Die anderen Brauer warteten nur darauf, sich über ihre ungewohnte
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