Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
haben ist nun einmal weitaus schwerer als eines allein.«
»Was?« Entsetzt fuhr Gret auf. »Wieso zwei Kinder? Wie soll das gehen? Was redet Ihr da für einen Unsinn?«
»Beruhigt Euch, meine Liebe.« Sanft, aber bestimmt drückte sie sie auf die Matratze zurück. Ihre erfahrenen Hebammenhände tasteten über Grets Bauch. »So viel Aufregung schadet Euch nur. Es geht alles mit rechten Dingen zu, vertraut mir. Die Zeichen sind eindeutig. Oder habt Ihr Euch bislang noch nicht gewundert, warum Euer Leib schon seit Wochen so heftig aufquillt? Mal schauen, ob es die beiden tatsächlich noch bis Jahresende in Eurem Bauch hält. Bei zwei Kindern kommt es vor, dass sie schon vor der Zeit herauswollen. Dann heißt es achtgeben, damit sie die nötige Wärme auch außerhalb des Leibes bekommen und die Zeit gut zum Reifen nutzen.«
»Ihr macht mir Angst.« Die ersten Tränen kullerten Gret über die Wangen. »Habt Ihr das schon öfter erlebt, dass eine Frau zwei Kinder zugleich gebiert? Im Gasthaus meines Oheims habe ich reden hören, das wäre ein böses Zeichen. Untreu müsse die Frau gewesen sein, mit zwei Männern zugleich das Lager geteilt haben. Anders sei es nicht zu erklären, dass zwei Kinder zur selben Zeit gezeugt worden wären. Aber Ihr könnt mir glauben, nie im Leben würde ich meinen über alles geliebten Gemahl …«
»Törichtes Zeug!« Mechthild schüttelte den Kopf. »Vor langer Zeit schon hat man bei uns in Preußen aufgehört, solches zu behaupten. Zwillinge sind selten. Deshalb gibt es Gegenden, in denen man sie als besondere Gunst begreift. Möglicherweise hat es in Eurer Familie oder der Eures Gemahls schon einmal Zwillinge …«
»Nein!« Entschieden ging Gret dazwischen. Kaum hatte sie das gesagt, stieg eine lang verdrängte Angst in ihr hoch. Noch immer wusste sie nichts Genaues über ihren Vater. Sie konnte also gar nicht ausschließen, dass es unter seinen Vorfahren Zwillinge gegeben hatte. Was, wenn andere ihre Zwillinge als Beleg nahmen, um ihren wahren Vater zu entlarven? Sie biss sich auf die Lippen, hoffte, Dora rechtzeitig unter vier Augen sprechen zu können, bevor sie es von anderen erfuhr. Hätte sie doch nur Urbans frühe Aufzeichnungen aus Nürnberg gefunden!
»Verzagt nicht!« Mechthild legte ihr tröstend die Hand auf die Wange, wischte sacht die Tränen fort. »Ihr seid jung und kräftig. Ihr werdet auch zwei Kinder unbeschadet in Eurem Leib austragen und an Eurem Busen nähren.« Sie nahm die Hand wieder weg, suchte in dem Beutel an ihrem Gürtel, um ihr eine braune Glasphiole zu reichen. »Riecht ein wenig daran. Das blaue Öl der Schafgarbe wird Euch neue Zuversicht spenden.«
Gehorsam tat Gret, wie ihr geheißen. Als der krautige Geruch ihr in die Nase stieg, hatte sie plötzlich das Minnesangbuch vor Augen, das sie einst in der Werkstatt des Schwähers gefunden hatte. Getrocknete Schafgarbendolden hatten darin gelegen. Anscheinend setzte noch jemand aus der Familie auf die Kraft der Pflanze. Vielleicht half ihr das, Licht ins Dunkel all der drängenden Fragen zu bringen.
»Da kommt wer«, erklärte Mechthild unvermittelt und wandte sich horchend zur Tür.
»Ihr täuscht Euch. Wir erwarten keinen Besuch.« Gret brauchte eine Weile, bis sie ebenfalls Schritte vernahm. Sie wurden lauter, näherten sich eindeutig ihrer Tür. Es mussten Männerschritte sein. Verlegen zog sie das Bettlaken bis zum Kinn, schaute fragend auf Mechthild. »Da kommt wirklich wer. Wer wird das sein?«
Das Klopfen an der Tür machte eine Antwort überflüssig.
»Gret?«, erkundigte sich eine ihr vertraute, wohltönende Männerstimme. Veit! Erfreut und erstaunt zugleich klatschte sie in die Hände. Mechthild deutete das als Aufforderung, die Tür zu öffnen. Tatsächlich betrat kurz darauf Vetter Veit das Schlafgemach des Gasthauses und eilte mit ausgestreckten Armen auf sie zu. »Liebe Base! Wie kommst du hierher?«
»Mein lieber Veit! Wieso weißt du, wo ich bin? Warum bist du so plötzlich aus Krakau fort?«
»Eins nach dem anderen.« Nach einer herzlichen Umarmung löste er sich von ihr und schaute sie prüfend an. »In deinem Zustand solltest du dir die Aufregungen einer Reise ersparen. Zum Glück war ich vorhin bei Meister Jagusch, als der Bote die Nachricht von Eurer Ankunft überbracht hat. Was hast du vor? Wieso bist du allein von Jörg fort? Muss ich mir Sorgen um euch machen?«
Vorsichtig setzte er sich zu ihr auf die Bettkante, griff nach ihrer linken Hand. Sein Blick hing an der
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