Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
genau um die Aufzeichnungen Urbans handeln, in denen er Göllners verwerfliche Machenschaften vor zwanzig Jahren in Nürnberg schildert. Derentwegen warf der Herzog ihn seinerzeit aus seinen Diensten, was Göllner Urban nie verziehen hat. Nun will er seine wiedergewonnene Macht bei Hofe nutzen, um sich an Dora zu rächen. Dora soll dafür büßen, was ihr Gemahl einst angerichtet hat. Wahrscheinlich will Göllner obendrein Urbans Andenken noch nach seinem tragischen Tod in den Schmutz ziehen und seine Witwe vollends ins Unglück stürzen.«
Über ihren Worten war Veit immer blasser geworden. Ungnädig entlarvte das helle Licht im Schlafgemach die tiefe Bestürzung, die sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Angestrengt rang er um Worte, bis er endlich heiser herauspresste: »Leider kann ich mir nur zu gut vorstellen, was Göllner da ausheckt. Mein Vater und Jan Gottlieb haben mir so einiges über ihn berichtet. Damals war ich noch zu klein, um viel von ihm und den Vorfällen um Albrecht mitzubekommen. Allerdings erinnere ich mich noch an das furchteinflößende Auftreten, das Göllner schon in jungen Jahren besaß. Ich werde alles tun, um ihm endlich das Handwerk zu legen.« Mit einem Satz war er auf den Beinen, wollte zur Tür eilen.
»Warte!« Gret bekam ihn noch am Arm zu fassen und hielt ihn zurück. »Du kannst nicht nach Krakau. Vorhin hast du erzählt, dass Dora dich gerade noch rechtzeitig gewarnt hat, von dort zu verschwinden. Kehrst du zurück, werden sie dich sofort des Mordes an Urban beschuldigen.«
»Dora braucht meine Hilfe. Das allein zählt.«
»Du liebst sie schon lange, nicht wahr?«
Verlegen senkte er den Blick. Gret schälte sich flink aus dem Bett heraus und umarmte ihn, drückte ihn eine Weile fest an ihre Brust.
»Pass gut auf dich auf! Wenn dir etwas zustößt, nützt das Dora am allerwenigsten. Ebenso, wenn sie dich in Krakau festnehmen und in den Kerker werfen. Vom Krakauer Stadtgefängnis erzählt man sich das Schlimmste.«
»Das werde ich zu verhindern wissen.« Er befreite sich aus ihren Armen, zog seinen dunklen Rock glatt. »Du aber musst auch gut auf dich achtgeben. Ich schicke dir gleich meinen Vater. Er wird dich und deine Magd nach Königsberg begleiten. Ohnehin wollte er in den nächsten Wochen dorthin reisen, um beim Herzog vorzusprechen. So, wie es aussieht, ist es höchste Zeit, dass er ihn an die Jahre in Nürnberg erinnert und daran, was sich dort damals alles zugetragen hat. Urban und Göllner sind ihm aus dieser Zeit bestens vertraut. Es wird kaum schaden, wenn Albrecht noch eine andere Geschichte über die alten Zeiten hört als nur die des Hausvogts.«
»Dein Vater ist auch hier?« Bei der Erinnerung an den Oheim wurde Gret warm ums Herz. Obwohl Wurfbein als der Bruder ihrer Mutter nach deren frühem Tod Vaterstelle an ihr vertreten hatte, war ihr der ruhige Singeknecht oft viel herzlicher entgegengetreten. Dabei war er nur ein Oheim vierten Grades.
»Gleich wird er bei dir sein, damit ihr alles Nötige für eure Weiterreise besprechen könnt.« Noch einmal beugte sich Veit vor und umarmte sie, dann eilte er zur Tür hinaus.
»Los, Mechthild, helft mir bitte rasch, mich anzuziehen«, wandte sich Gret an die Magd, die sich auf einen Schemel ins hintere Eck der Stube zurückgezogen hatte. Eine wilde Entschlossenheit hatte sie erfasst und die Schwerfälligkeit weggeblasen. »Ihr habt gehört, Veits Vater wird bald hier sein. Meinem Oheim kann ich unmöglich im Leinenhemd unter die Augen treten.«
Mechthild beeilte sich, Kleid, Schürze, Gürtel und Goller vom Wandhaken zu nehmen und zum Bett zu bringen. Umsichtig hielt sie ihr die Kleidungsstücke eins nach dem anderen hin, damit sie sie überstreifen konnte.
»Wie seid Ihr eigentlich mit den Singeknechts genau verwandt?«, erkundigte sie sich beiläufig.
»Veit ist mein Vetter, das habt Ihr vorhin doch gehört.«
»Welchen Grades?« Mechthild reichte die Antwort nicht.
»Vierten Grades. Warum wollt Ihr das so genau wissen? Da ich eine Waise bin, freue ich mich sehr darüber, wie sehr er sich um mich kümmert. Hätte ich je einen Bruder gehabt, hätte er so sein müssen wie Veit.«
»Das ist sehr ungewöhnlich.«
»Was ist daran ungewöhnlich?« Gret war damit beschäftigt, den Gürtel um den dicken Bauch zu schnallen. Längst hatte sie bereits das letzte Loch erreicht und fühlte sich dennoch sehr eingeengt. Zurück in der Domgasse, musste sie sich wohl einen längeren besorgen.
»Ihr beide habt eine gewisse
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