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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Wasser zu schicken. Wenig später räkelte sich Gret in dem wohlriechenden Rosenbad und dankte der Vorsehung zum hundertsten Mal, vor wenigen Wochen dieser klugen Frau begegnet zu sein und sie in Dienst genommen zu haben. Behutsam schäumte sie ihr das Haar auf, seifte ihr den Rücken ein und massierte ihr den Nacken. Wie so oft wunderte sich Gret, wie Mechthilds große, auf den ersten Blick ungeschlacht wirkende Hände so zartfühlend sein konnten.
    »Wie sieht eigentlich Euer Vater aus?«, erkundigte sich Mechthild in ähnlich beiläufigem Ton, in dem sie am Morgen schon nach der Verwandtschaft mit Veit gefragt hatte. Auf einen Schlag war Gret hellwach, alle Wohltat des Bades wurde durch diese Frage zunichtegemacht.
    »Mein Vater ist schon lange tot. Ich habe ihn gar nicht gekannt«, hörte sie sich in trotzigem Ton erwidern. Starr sah sie zum Fenster, vor dem der Himmel gerade seinen abendlichen Feuerzauber entzündete. Das gelbrote, langsam ins Blaurote wechselnde Licht der versinkenden Abendsonne fand seinen Weg gespiegelt in den Glasscheiben des gegenüberliegenden Hauses sogar in den hintersten Winkel ihres Schlafgemachs. Wie betäubt von Mechthilds vermeintlich harmloser Frage folgte sie seinem Lauf. Die weißen Laken auf dem Bett waren von einem milden Gold überzogen, verwandelten die einfache Bettstatt in ein fürstliches Nachtlager. Das aber freute Gret wenig. Zu schwer lastete die Erinnerung an die Schmach ihrer ungewissen Herkunft auf ihr. Konnte es sein, dass die bucklige Magd ahnte, wie fehl am Platz ein uneheliches Balg wie sie in diesen bürgerlichen Stätten war?
    »Das hat man Euch wohl immer so gesagt, nicht wahr?« Mechthild fischte nach dem Seifenstück, das ihr ins Wasser gefallen war, und legte es beiseite. Dann griff sie nach dem Wasserkrug, der neben ihr auf dem Boden stand, und goss frisches Wasser über Grets Haupt, wusch die Seife sorgfältig aus dem langen Haar. Gret war froh, so einen Vorwand zu haben, um den Kopf zu senken. Die Magd sollte die Tränen nicht entdecken, die ihr reichlich über die Wangen rannen.
    »Ihr aber spürt, dass er noch lebt, und deshalb versucht Ihr ihn zu finden.«
    »Das ist nicht wahr!« Empört schlug Gret mit der flachen Hand aufs Wasser, so dass es heftig aufspritzte.
    »Es tut mir leid, wenn Euch meine Vermutungen derart zu Herzen gehen.« Entgegen ihrer Beteuerung hörte sich Mechthilds Stimme nicht nach einer Entschuldigung an. Sie strich das Wasser aus Grets Haar, schlang den Schopf um ihre Hand und drückte ihn mit der anderen aus, bevor sie ein bereitliegendes Leinentuch um es schlang. »Dabei ist es doch nur allzu verständlich, wenn Ihr wissen wollt, wo Eure Wurzeln liegen. Verzagt nicht, die Wahrheit ist einem oft näher, als man denkt.«
    »Was meint Ihr damit?« Kaum ausgesprochen, ärgerte sich Gret. Warum ging sie überhaupt auf das Gerede ein? Sie wusste doch längst, wer ihr Vater war und dass er vor zwei Jahren von der Stützmauer seines neuen Hauses erschlagen worden war. Oder zweifelte sie in Wahrheit doch daran?
    »Ich bin mir sicher, Ihr hattet Euren Vater seit Eurem ersten Tag an immer nah bei Euch. Er hat sich Euch nur nicht zu erkennen gegeben. Stattdessen hat er aus sicherer Entfernung dafür gesorgt, dass es Euch an nichts fehlt.«
    »Was soll das? Worauf wollt Ihr hinaus?« Entsetzt starrte Gret sie an. Mechthild erwiderte ihren Blick geradewegs. Auf einmal wusste sie es. »Ihr wollt doch nicht etwa sagen, der alte …«
    »Die Wahrheit kann Euch nur Euer Herz verraten. Vertraut darauf. Die Bindungen zwischen Vater und Kind wie auch zwischen Geschwistern sind sehr viel stärker, als Ihr denkt. Auch wenn Ihr Euch nur entfernt verwandt wähnt, so bindet Euch in Wahrheit weitaus mehr aneinander, als es auf den ersten Blick scheint. Deshalb könnt Ihr auch so schlecht voneinander lassen.«
    Die Sätze der Magd waren sehr verschlüsselt. Gret lehnte sich im Wasser zurück und versuchte in sich hineinzuhören. So rätselhaft sie das alles fand, so klar schien plötzlich alles vor ihr zu stehen. Sie brauchte Urbans Aufzeichnungen nicht mehr zu lesen, um das Geheimnis ihres Vaters zu entschlüsseln. Dank Mechthilds Hilfe wusste sie ihn seit heute längst treu an ihrer Seite. Es spielte keine Rolle, dass er sich nicht offen zu ihr bekannte. Was allein zählte, war, dass er sich für sie verantwortlich fühlte. Erleichtert schloss sie die Augen, fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben ganz mit sich selbst versöhnt.
    10
    D ora zuckte

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