Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
vorherzusagen scheint mir doch noch etwas früh. Rudolph ist gerade erst zweieinhalb«, warf Dora ein. »Auch bei meiner Tochter Johanna wage ich noch keine Voraussage, welche besonderen Fähigkeiten sie besitzt.«
    »Falls der kleine Rudolph weder Bierbrauer noch Baumeister werden will, so wird wohl einer der Zwillinge Eures Bruders sich für eines der beiden Gewerke interessieren. Letztlich findet sich in einer Familie doch immer jemand, um die alten Traditionen mit neuem Leben zu füllen.«
    Polyphemus schien ihren Einwand völlig überhört zu haben. Kopfschüttelnd wandte Dora sich ab, sah wieder auf die Ruinen, aus denen bald ihr neues Heim erwachsen sollte.
    »Viel wichtiger, als die Tradition der Alten nur halbherzig fortzuführen, ist es doch, einen eigenen Weg daraus abzuleiten und ihn dann voller Leidenschaft zu beschreiten.«
    Sie löste sich von Veit und betrat das Grundstück. Suchend glitt der Blick ihrer verschiedenfarbigen Augen über die Schuttreste. Hatte sie sich getäuscht? Eben hatte sie es doch ganz deutlich aufblitzen sehen. Sie schaute sich um, dann erspähte sie das Gesuchte. Rasch eilte sie hin, bückte sich und pflückte die Dolde mit den unzähligen kleinen weißen Blüten. Der krautige Geruch schien ihr der wundervollste Duft, den es auf Erden gab. Versonnen schnupperte sie an der Schafgarbe, dann lief sie leichtfüßig zurück zu ihrem Gemahl. Noch immer stand er neben dem Bibliothekar, der inzwischen wieder eifrig auf ihn einredete. Dora schnappte einzelne Worte auf wie »Berichte aus dem hohen Norden«, »einzigartige Überlieferungen« und »das sollte der Herzog mit eigenen Augen sehen«. Als sie die beiden Herren erreichte, wirkte Veit erleichtert, sich von Polyphemus abwenden zu dürfen.
    »Was hast du mit der Schafgarbe vor?«
    »Dir steht noch eine ganz besondere Probe bevor. Vertrau mir, du wirst sie gut meistern. Schließlich kennt die Schafgarbe die Wahrheit.«
    »Hast du das auch aus einem Buch deiner Ahnen gelernt?«
    »Das hat mir das Buch des Lebens bewiesen.«
    Ohne sich um Polyphemus zu kümmern, fiel sie dem Gemahl abermals um den Hals. Als sie die Augen schloss, stieg ein vertrautes Traumbild in ihr auf. Längst genoss sie es, war doch die alte Angst verloren, darin die falsche Augenfarbe oder ein Abbild des Liebsten in Jahren ferner, unbekannter Leidenschaften zu erblicken. Sie schickte einen innigen Gruß an den verstorbenen Urban, dann öffnete sie die Augen und strahlte Veit an.
    Mit ihm zur Seite würde sie künftig jede Wahrheit aushalten, ganz egal, was das Leben an neuen Proben bereithielt.

Anhang

Nachbemerkung
    J e mehr ich von meinem lieben vaterlande hore oder lese, je lenger, je lustiger ich werd davon zu horen oder zu lesen«, schrieb in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Königsberger Chronist Paul Pole [1]   . So ähnlich geht es mir mit (Ost-)Preußen, obwohl es weder mein »Vaterland« noch die Heimat meiner Vorfahren ist. Je intensiver ich mich mit seiner Geschichte beschäftige, je mehr Details finde ich, die mich zu weiteren Romanen anregen. So liefern die Ereignisse aus Preußens Vergangenheit nun also schon den Stoff für meinen vierten Roman. Nach der Zeit des Großen Kurfürsten im 17. Jahrhundert (Hexengold und Bernsteinerbe) sowie den Preußischen Städtekriegen im 15. Jahrhundert (Gold und Stein) bildet dieses Mal die Herrschaft des ersten preußischen Herzogs Albrecht Mitte des 16. Jahrhunderts den historischen Hintergrund für Die Liebe der Baumeisterin. Wie bei den anderen Romanen gibt auch hier die Ereignisgeschichte allerdings nur den Anstoß für den Einstieg in die Alltagsgeschichte der gewöhnlichen Bürger. »Nicht erzählen, wie es war, sondern, wie es gewesen sein könnte« (Gert Hofmann, 1931–1993) – das geht am besten, wenn man das Schicksal derjenigen in den Mittelpunkt rückt, die die Auswirkungen der »großen« Politik am eigenen Leib erfahren haben.
    In Ergänzung zum Romangeschehen möchte ich im Folgenden noch einige Anmerkungen nachreichen, die die Zeit, in der meine Figuren agieren, geprägt und damit ihr Dasein nachhaltig beeinflusst haben.

Die Ära Herzog Albrechts
    Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490–1568) wurde im Jahr 1511 zum 37. Hochmeister des Deutschen Ordens ernannt. Wie seine Amtsvorgänger verweigerte auch er dem polnischen König Zygmunt I. (1467–1548) den Lehnseid, wie er seit dem Zweiten Frieden von Thorn 1466 eigentlich vorgesehen war. Der deutsche Kaiser Maximilian I.

Weitere Kostenlose Bücher