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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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unser Haus aus der Reihe der anderen herausheben, ohne zu auffällig und beladen zu sein oder sich gar zu offensichtlich in den Vordergrund zu drängen.«
    »Du hast deine Lektion bestens gelernt.« Veit klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Die Reise nach Krakau hat dir für so manches die Augen geöffnet, was dir weder das Studium der alten Werkmeisterbücher noch die Beschäftigung mit den hiesigen Baumeistern vermitteln konnten.«
    »Es mag zwar sein, dass mir durch die Zeit in der Fremde erst so richtig die Augen aufgegangen sind, dennoch handelt es sich um eine ganz alte Lektion. Schon bei Urbans Haus wollte ich sie beherzigen, wie du sicher noch weißt.«
    Einen Moment senkten sie beide den Blick. Die Erinnerung an das schreckliche Unglück überschattete nach wie vor ihr gemeinsames Arbeiten an einem neuen Anwesen. Dann gab Dora sich einen Ruck, sah Veit liebevoll an.
    »Ihr wahrer Gehalt ist mir allerdings erst jetzt so richtig klargeworden. Alles hat seine Zeit. Das gilt für die Baukunst wie für alles andere. Deshalb sollte jedes Haus nicht allein die Eigenart seiner Besitzer widerspiegeln, sondern auch die Zeit und die mit ihr verbundenen Herausforderungen, unter denen es entstanden ist. Die Ordensburgen und Häuser hier in Königsberg, wie mein Ahn Laurenz sie mit errichtet und für uns Nachgeborene so ausführlich beschrieben hat, dienten ursprünglich als Ausdruck der Macht der Kreuzherren wie auch als Beweis des frühen Bürgerstolzes, den rauhen Gefilden im prußischen Norden etwas abgetrotzt zu haben. Das lässt sich an den gewaltigen Mauern wie an den trutzigen Wällen und Türmen der alten Burgen ablesen. Auch die Häuser künden trotz ihrer hoch in den Himmel ragenden Giebel noch von diesem kämpferischen Anspruch. Erst allmählich gewinnen sie durch vorgelagerte Säulen, verspielte Ornamente an den Gesimsen oder Steinfiguren am Giebel etwas mehr Freundlichkeit. Noch immer aber wollen sie vor allem die Macht ihrer Besitzer zeigen. In Krakau dagegen erschienen mir die Bauwerke rund um den Großen Markt und entlang der Grodzka wie auch der Wawel selbst von einer ursprünglichen Leichtigkeit. Zwar soll auch der Wawel die Gegner schon allein durch seine Ausmaße abschrecken, allerdings tut er das auf eine viel beiläufigere Weise als etwa Herzog Albrechts Schloss oberhalb der Königsberger Altstadt oder gar die Marienburg. Ebenso wollen die Häuser in der polnischen Residenzstadt dem Betrachter eher gefallen und ihn galant umgarnen als ihn kleinmachen. So will ich es auch bei unserem Haus halten.«
    Sie hielt inne, suchte seinen Blick. Aufmerksam sah er sie an. Beruhigt, dass er ihren Gedankengängen folgen konnte, fuhr sie fort: »Einerseits darf es keinesfalls aus der Reihe tanzen, muss wie seine Nachbarn den breiten Aufgang am vorgezogenen Beischlag sowie üppige Reliefs um Portal und Fensterbögen aufweisen wie auch den üblichen Schmuck auf dem Stufengiebel tragen. Dennoch werde ich durch die Gestaltung der Gesimse mit möglichst einfachen Ornamenten sowie dem bewussten Verzicht auf Erker, Wimperge und Fialen ein Zeichen setzen. Das brauchen wir nicht, um uns von den anderen abzuheben. Im Innern können wir dagegen mit der Wahl besonderer Materialien eine ganz eigene Wirkung erzielen. So werde ich für die Steinfliesen in der Diele ein eindrucksvolles Muster entwerfen und ein ganz dunkel gebeiztes Holz für die Treppe wählen. Ähnlich wie die Rektorentreppe im Collegium Maius in Krakau soll sie durch reiche Drechselarbeiten einen Blickfang bieten. In Erinnerung an Urban habe ich übrigens schon einige Wandteppiche in Flandern bestellt. Kaufmann Tschakert war so freundlich …«
    »Ich sehe schon«, fiel Veit ihr ins Wort, »bis in die kleinsten Einzelheiten hast du alles bereits ausgefeilt.«
    »Ich wollte dich nicht übergehen«, entschuldigte sie sich. »Du hattest in den letzten Wochen nur so viel mit den Umbauarbeiten am Schloss zu tun. Der Herzog und sein Hofbaumeister Römer haben dich ganz mit Beschlag belegt. Die Einrichtung von Albrechts neuen Privatgemächern erfordert wohl allerhöchste Aufmerksamkeit. Da wollte ich dich nicht mit diesen nebensächlichen Dingen belästigen.«
    »Niemals kannst du mich mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten belästigen.« Zärtlich strich er ihr über die Wange. »Dazu bist du viel zu wichtig für mich. Du wirst das alles bestens gestalten. Als künftige Hausherrin obliegt es dir ohnehin, über die angemessene Einrichtung zu entscheiden. Wie

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