Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
auftreten.
»Natürlich nehmen wir dich gern mit dazu, lieber Vetter«, gewann Gret als Erste ihre Fassung wieder.
»Bei so viel Familie sollten auch wir unsere Bande endlich besiegeln«, wandte Veit sich an Dora und legte ihr ebenfalls den Arm um die Schultern. »Die Zeit der Trauer ist vorbei. Deshalb bitte ich Euch um Eure Hand.«
Dora zögerte nicht lang, sondern fiel ihm wortlos um den Hals. Begeistert klatschte Gret in die Hände, trat zwei Schritte von den Liebenden zurück, um Jörg an ihre Seite zu winken.
Veit küsste Dora mitten auf den Mund. Überglücklich schloss sie die Augen und gab sich ganz der Zärtlichkeit hin.
Endlich wurde ein langgehegter Traum wahr. Wie zufällig streiften ihre Finger den Beutel mit dem Schafgarbenöl an ihrem Gürtel. In vielen, vielen Jahren würde sie Johanna von dem alten Brauch mit der Schafgarbendolde unter dem Kopfkissen erzählen. Wie früher Renata ihr würde auch sie der Tochter versichern, dass der nächtliche Traum ihr immer die Wahrheit offenbarte. Mit einem seligen Lächeln schlug sie die Augen wieder auf und badete sich im Glanz von Veits grünbraun schimmernden Augen.
Epilog
Königsberg
August 1547
D ie Hausruine befand sich auf der rechten Seite der Kneiphofer Langgasse, schräg gegenüber des Badehauses und von Kaufmann Tschakerts Anwesen. Zu dieser frühen Morgenstunde, in der die Träume der Nacht widerstrebend dem anbrechenden Tag wichen, lag eine angenehme Ruhe über dem Kneiphof. Eine Handvoll Knechte eilte zur Krämerbrücke. Die geschulterten Werkzeuge und Balken wiesen sie als Zimmerleute aus. Verschlafen wankte eine Magd vorbei, die Haube noch nicht ordentlich auf dem ungekämmten Haar befestigt, das Gesicht mürrisch verkniffen. Dora lächelte ihr aufmunternd zu und postierte sich in wenigen Schritten Entfernung vor dem verwüsteten Grundstück.
Verzückt schweifte ihr Blick über die gesamte Länge der Hausstelle. Vormals hatte das Grundstück einem Tuchhändler gehört, der nach London gezogen war, von wo aus er sich bessere Geschäfte erhoffte. Ein rätselhaftes Feuer hatte das Gebäude im letzten Winter bis auf die Grundmauern zerstört. Seither lag das Grundstück brach. Dank der Unterstützung des Herzogpaares hatten Dora und Veit es vor wenigen Tagen erworben. Im Nordwesten grenzte es an den Zusammenfluss des Neuen in den Alten Pregel, an den Längsseiten wuchsen die Seitenwände der Nachbargebäude drei Geschosse hoch in den Himmel.
Die im Osten aufgehende Augustsonne schmeichelte den verkohlten Mauerresten und umhüllte sie zärtlich mit ihrem milden Morgenlicht. Hie und da sprossen Grasbüschel und Löwenzahn aus den aufgesprungenen Mauerritzen, bedeckten den in der Mitte ansteigenden Schutthügel mit einem zartgrünen Flaum. Obenauf plusterte sich eine Krähe, schlug wild mit ihren Flügeln und stieß empörte Schreie aus. Eine schwarze Katze schlich sich an. Die Krähe ließ sie auf wenige Schritt herankommen, um ihr mit einem schadenfrohen Krächzen in die Lüfte zu entfliehen. Verdutzt sah die Katze ihr nach, wie sie auf der Krone der benachbarten Brandmauer ihren unerreichbaren Aussichtspunkt bezog.
»In einem Jahr schon wird es hier ganz anders aussehen«, sagte Dora.
»Ich sehe es schon ganz genau vor mir.« Veits Mund umspielte ein stolzes Lächeln.
»Trotzdem wirst du eine kleine Überraschung erleben.« Verschmitzt zwinkerte sie ihm zu. Er zog fragend die Augenbraue hoch, sie aber enthielt sich vorerst einer Erklärung.
Ihr Blick wanderte über die benachbarten Hausfassaden. Über den weit in die Gasse ragenden Beischlägen wuchsen die mehrgeschossigen Backsteingebäude empor, die dem Betrachter schon von weitem dank des überbordenden Schmucks an Erkern, Fenstern und Gesimsen das Selbstbewusstsein ihrer Besitzer verrieten. Mächtige Säulen flankierten die Eingänge, darüber angebrachte Tafeln mit Sinnsprüchen kündeten vom Motto der jeweiligen Familie. Auf den einzelnen Stufen der Giebel reihten sich Figuren aus Bibel- und Sagenwelt aneinander, gelegentlich bevölkerten Neptun und andere Meeresbewohner die Absätze. Auf den Spitzen thronten prächtige Schiffe, tapfere Drachenbezwinger oder goldverzierte Sonnen.
»So brav sich die Baumeister bemühen, die Gebäude möglichst einhellig zu gestalten, so gut ist es ihnen doch gelungen, mit wenigen Elementen jeder Familie in ihrer Besonderheit gerecht zu werden«, sinnierte Dora. »Genau darauf kommt es mir auch bei meinem Entwurf an. Schon von weitem wird sich
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