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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Gebäuden und ihren Bewohnern? Die Bebauung rund um den Domplatz ist äußerst dicht. Eine gewaltige Feuersbrunst ist über den Kneiphof hinweggefegt. Wäre es allein bei den von Euch erwähnten Schäden geblieben, hätten die Kneiphofer wohl kaum derart kopflos in die Altstadt fliehen müssen.« Zitternd vor Empörung, hielt Dora inne. Sie versuchte sich zu sammeln, was angesichts der Trostlosigkeit in den Gesichtern der Menschen ringsumher schwerfiel. »Kein Wort habt Ihr für die Ärmsten übrig, die in der letzten Nacht dem Feuertod mitten ins Auge gesehen und einen Großteil ihrer irdischen Habe verloren haben. Außer dem nackten Leben ist ihnen nichts geblieben.«
    »Beruhigt Euch, mein Augenstern.« Beschwichtigend tätschelte Urban ihr den Arm. Das erzürnte sie noch mehr.
    »Es geht nicht allein um den herzoglichen Besitz.« Fast überschlug sich ihre Stimme, so aufgebracht war sie. »Der dürfte wohl am allerwenigsten in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Die Kneiphofer Bürger dagegen haben Schlimmes zu ertragen. Ihre Häuser sind zerstört oder stark beschädigt. Was aber noch ärger ist, viele bangen nach wie vor um ihre Liebsten. Bis zum Morgen habe ich mit einigen anderen Frauen auf dem Altstädter Markt versucht den Verletzten beizustehen. Manche haben vor Verzweiflung laut geschrien, andere haben unablässig geweint, wieder andere sind vor Schreck stumm geworden. Nicht einmal ihre eigenen Namen haben sie noch preisgeben können, so tief steckte ihnen das zuvor erlebte Grauen in den Gliedern. Das Gedränge auf der Schmiedebrücke muss fürchterlich gewesen sein. Eine halbe Ewigkeit waren die Menschen darauf wie Vieh vor der Schlachtbank zusammengepfercht, dann erst wurde das Tor zur Altstadt endlich geöffnet. Einige haben mir erzählt, sie wären überzeugt gewesen, entweder in der Menge zu ersticken oder vom Feuer erfasst zu werden. Dabei war das rettende Ufer der Altstadt zum Greifen nah. Nie mehr in ihrem Leben werden die Menschen diese schreckliche Zeit des Wartens vergessen.«
    Über ihren Worten senkten Urban und sein Schreiber die Köpfe. Der dickliche Hubart sortierte mit seinen breiten Fußspitzen kleine Steine auf dem Pflaster, Urban rieb sich das Kinn. Mit einem Ruck richtete er sich wieder auf, schenkte ihr einen mitfühlenden Blick. »Ihr habt recht, an erster Stelle sollte immer die Sorge um unsere Mitmenschen stehen. Lasst uns deshalb gleich in die Domgasse gehen und versuchen etwas über den Verbleib Eurer Familie zu erfahren.«
    »Oh«, entschlüpfte es Hubart zerknirscht, »ich wusste nicht, also verzeiht, bitte seht mir nach, liebe Stöckelin, mir war nicht bewusst, dass Ihr noch keinerlei Nachricht vom Schicksal Eurer Familie habt.«
    »Lasst uns gehen«, stimmte sie Urban zu und versuchte das bange Herzklopfen zu verdrängen, um so ruhig wie möglich neben ihm über die Schmiedebrücke zu gelangen.
    Es war, als trennten an diesem Märztag die Brücke über den Neuen Pregel weitaus mehr als nur zwei der insgesamt drei Königsberger Städte voneinander. Immer noch strahlte die Frühlingssonne von einem wolkenlosen Himmel, dennoch hing ein unheilvolles Grau über dem Kneiphof. Hie und da blitzten an einem Zweig zwar noch Blüten auf, ihr zartes Weiß aber wirkte seltsam fremd inmitten der rußgeschwärzten Mauern. Gleich hinter dem Brückenende verstummte das Zwitschern der Vögel. Die Möwen drehten knapp vor dem Südufer des Flusses ab.
    Je näher Dora und Urban dem Viertel um den Dom kamen, umso stiller wurde es. Manche schoben mit tief gesenkten Blicken Karren vor sich her, brachten ihre wenigen aus den Trümmern geretteten Habseligkeiten fort. Andere schleppten Bretter vorbei, um an den ausgebrannten Häusern Türen und Fenster zu vernageln, und wieder andere karrten verkohlte Holzbalken sowie ersten Schutt weg. In der unheilvollen Stille knarrten die Räder der Karren über das dreckige Straßenpflaster.
    Der Platz vor dem Dom sah gespenstisch aus. Die Holzbuden der Krämer waren vollständig niedergebrannt, die verkohlten Trümmer des Nordturms lagen über den gesamten Platz verstreut. Dazwischen fanden sich die beiden einst so stolzen Kirchenglocken, die der schmähliche Absturz arg zerbeult hatte. Eine graue Ascheschicht bedeckte die Trümmer, hie und da schwelten einzelne Glutnester. Wie abgebrochene hohle Zahnstümpfe ragten einige Bürgerhäuser um den Platz aus der Erde empor. Die Dächer waren eingestürzt, die Fensterscheiben in der Gluthitze zerborsten, das Innere

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