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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Kneiphofs. Erst als am Ende der Brotbänkengasse die von Süden nach Norden verlaufende Kneiphofer Langgasse in Sicht rückte, begann sie darüber nachzudenken, wo sie mit ihrer Suche überhaupt beginnen wollte. Ein Stechen in der Seite hieß sie anhalten. Sie presste die Hand auf die schmerzende Stelle, zwang sich, gleichmäßiger zu atmen und langsam weiterzugehen. Vorsichtig schaute sie sich um. Zwar hatten auch in diesem Teil des Kneiphofs die üblichen Werktagsbeschäftigungen ausgesetzt, ebenso waren sämtliche Verkaufsstände und Werkstätten geschlossen. Immer wieder zogen Karren mit Schutt oder Resten von geretteten Hausständen aus dem östlichen Teil der Stadt vorbei. Dennoch herrschte eine weitaus bessere Stimmung als rund um den Dom. Dazu trugen allein schon die unversehrten Hausfassaden, die sauberere Luft sowie das gelegentliche Zwitschern der Spatzen und Meisen bei. Die Menschen, die Dora begegneten, waren wie sie selbst in frische, saubere Kleidung gewandet. An der Ecke zur Langgasse sprach sie einen der Kneiphofer Bürger an, ohne zunächst genau zu erkennen, um wen es sich handelte. »Könnt Ihr mir helfen? Ich suche meinen zehnjährigen Bruder.«
    »Stöckelin!«, grüßte der Mann, lupfte sein Barett und deutete eine Verbeugung an. Die Vorsehung meinte es gut mit ihr. Bei dem Angesprochenen handelte es sich um Götz Steinhaus, einen Kaufmann aus der Brotbänkengasse. Für ihn hatte der Vater erst im letzten Jahr den Ausbau des Giebelgeschosses geleitet. Er kannte die gesamte Familie. »Wie steht es um das Haus Eures Vaters? Gerade bin ich auf dem Weg zum Dom, um meine Hilfe anzubieten. Man hört Schreckliches. Von Schackens Haus soll das Unglück seinen Lauf genommen haben. Weil die Bierbrauer so leichtfertig das Feuer zum Darren auf den Speichern schüren …«
    »Ich suche meine Brüder, Jörg und Lienhart«, fiel Dora ihm ins Wort. »Habt Ihr sie gesehen? Lienhart ist wohl aus Angst vor dem Feuer zu einem seiner Freunde geflohen. Jörg sucht nach ihm. Mein Vater und meine Schwägerin sind allein zu Haus. Leider hat es mein Elternhaus schlimm getroffen.«
    »Oh, das tut mir leid. Vorhin sind mir einige Männer aus Eurer Nachbarschaft begegnet. Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr nach Euren Brüdern sucht, hätte ich mehr darauf geachtet, um wen es sich genau gehandelt hat. Sie sind zum Badehaus. Dort werden noch immer Verletzte versorgt, bis ihre Angehörigen sie nach Hause holen. Sofern es noch ein solches Zuhause gibt.«
    »Habt vielen Dank!« Dora schöpfte zarte Hoffnung und lief los. Sie war nicht die Einzige, die zum Badehaus eilte. Je näher sie ihm kam, umso dichter wurde das Gedränge. Dora beschleunigte ihre Schritte, ließ ihren Blick über die Gesichter der Leute gleiten. Ob Jörg irgendwo unter ihnen steckte? Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, versuchte an dem breiten Rücken vorbeizusehen, der sich plötzlich vor sie schob.
    »Aufpassen!« Sofort stieß sie jemand in die Seite. »Alle wollen zum Badehaus.«
    »Was fällt Euch ein?« Auch von der anderen Seite erhielt sie einen Hieb in die Rippen.
    »Verzeiht, aber ich suche …«, hob sie an, um sogleich wieder unterbrochen zu werden.
    »Wir suchen alle!« Eine kräftige Frau mit einer schmutzigen Haube auf dem Kopf und einem verlotterten Kleid funkelte sie böse an. Auf ihren feisten Wangen glänzte der Schweiß. Spuren von Ruß zeugten von der letzten Nacht. Fest packte sie Dora am Arm, rüttelte an ihr. »So sauber, wie Ihr ausseht, kommt Ihr wohl eher aus der Altstadt.«
    »Das sieht man doch gleich an der kostbaren Schaube!«
    »Wie ein Festgewand sieht sie aus.«
    »Wollt Ihr Euch anschauen, wie übel es uns hier im Kneiphof erwischt hat?«
    »Seht Euch nur ihre Augen an! Grün das eine, blau das andere. So blickt das Böse leibhaftig auf uns«, zischte eine bucklige alte Frau.
    »Menschen wie die sind schuld an unserem Unglück!«, stellte die schmutzige Frau fest und maß Dora mit einem weiteren abschätzigen Blick.
    »Ich habe gleich gesagt, den Altstädtern ist nicht zu trauen!«, krähte die Bucklige. »Letzte Nacht haben sie uns mit Absicht so lang auf unserer Insel schmorenlassen. Damit haben sie uns doch nur zeigen wollen, wie sehr wir sie brauchen.«
    »Wütend sind sie, weil der Herzog uns vor zwei Jahren den Bau der Honigbrücke erlaubt hat«, raunzte die Erste.
    »Stimmt! Deshalb haben sie die Brücke in Brand gesteckt und damit riskiert, dass sich das Feuer von dort ausgebreitet hat.«
    »Und jetzt kommen

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