Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Anstrengung. »Habt Ihr schon gehört, was das Feuer an der Honigbrücke angerichtet hat? Leider ist sie gänzlich zerstört.«
»Was?« Sichtlich getroffen von der Nachricht, blieb Urban stehen und nahm den Arm von Doras Schultern. Schweigend starrten sie zur Kneiphofinsel. Der westliche Teil schien gänzlich unversehrt, aus verschiedenen Ecken der östlichen Hälfte stiegen dagegen weiterhin dünne Rauchsäulen in den Himmel. Die Rauchschwaden über dem Dom aber hatten sich nahezu vollständig aufgelöst. Hilflos ragten die kläglichen Reste des Nordturms in den tiefblauen Frühlingshimmel. Der stark beschädigte Dachstuhl des Hauptschiffs tat ein Übriges, die einst so stolze Kirche in eine armselige Ruine zu verwandeln. Am schlimmsten war jedoch der Anblick der teilweise oder ganz eingestürzten Häuser in der Nachbarschaft des Kirchenbaus. Dora versuchte auszumachen, um welche Anwesen es sich genau handelte, konnte aber nur wenig Genaues erkennen. »Das sieht alles bei weitem wüster aus als direkt nach dem Feuer«, sagte Urban nachdenklich. »Dabei bin ich bei meinem letzten Erkundungsgang am frühen Morgen fast ganz um den Dom herumgekommen.«
»Die Honigbrücke war völlig verkohlt. Vorhin ist sie zusammengebrochen und in den Pregel gestürzt. Zum Glück ist niemand zu Schaden gekommen.« Hubart wischte sich übers Gesicht. Seine schmutzigen Hände verteilten den Aschestaub über das gesamte Antlitz.
»Wenn es die Honigbrücke so schlimm getroffen hat, hat dort das Feuer wohl am heftigsten gewütet«, stellte Urban fest. »Das lässt erste Rückschlüsse auf die Ursache zu. Habt Ihr dazu schon etwas herausgefunden?«
Eindringlich musterte er seinen Untergebenen. Der wand sich ein wenig, sah unschlüssig zu Dora, verzog das Gesicht, als er ihre pelzverbrämte Schaube bemerkte, bevor er berichtete: »Das Feuer muss kurz nach zehn Uhr am gestrigen Abend direkt an der Honigbrücke ausgebrochen sein. Thomas Schacken hat wohl das Feuer zum Darren zu stark geschürt. Dabei darf er es eigentlich erst um Mitternacht anfachen. In Windeseile hat es sich …«
»An Thomas Schacken muss es gar nicht gelegen haben«, mischte sich Dora ein. »Ich kenne ihn gut. Er ist Kneiphofer wie ich und besitzt ebenso wie meine Familie seit Generationen das Braurecht. Die Vorschriften der Brandordnung hat er stets strikt befolgt.«
»Aber er darf nicht abends um zehn das Feuer entzünden«, beharrte Hubart.
»Ihr irrt, mein Lieber«, entgegnete sie in scharfem Ton. »Die jüngste Brandordnung schreibt lediglich vor, dass das Braufeuer erst ab Mitternacht für den folgenden Brautag angefacht werden darf. Ebenso darf ein Brauer immer nur ein Braufeuer am Tag entzünden, damit er dieses aufmerksam in Obhut behält. Vom Feuer für das Darren des Malzes auf dem Speicher ist allerdings nicht die Rede. Auch in der Willkür für das Bierbrauen findet sich dazu keinerlei Vorgabe. Der sorgfältige Umgang mit dem Darrfeuer ist der Verantwortung eines jeden Brauers überlassen. Da Schacken ein erfahrener Brauer ist, muss das Feuer aus einem anderen Grund …«
»Danke Euch, meine Liebe«, ging Urban dazwischen. »Ihr als Kneiphofer Bierbrauerin kennt die Willküren naturgemäß besser als wir alle. Doch berichtet rasch, Hubart, wie es letzte Nacht weitergegangen ist.«
»Eindeutig von Schackens Speicher aus hat sich das Feuer über die benachbarten neuen Häuser zunächst ostwärts zur hölzernen Honigbrücke ausgebreitet«, fuhr der Schreiber fort, deutlich zufrieden über die Zustimmung, auf die seine Schilderung bei Urban stieß. »Als der Wind aus Osten plötzlich stark aufbrauste, hat es sich gedreht. Ungehindert haben die Flammen auf die Holzbuden vor dem Dom sowie auf den nördlichen Glockenturm übergreifen können. Auch die ersten Häuser in der angrenzenden Domgasse fingen rasch Feuer. Womöglich hat auch dort der ein oder andere Brauer früher als erlaubt mit dem Darren seines Malzes auf dem Dachboden …«
»Das sind üble Verleumdungen!«, entfuhr es Dora entrüstet. »Solange Ihr nichts Genaues wisst, solltet Ihr mit solchen Unterstellungen vorsichtig sein.«
»Lasst ihn weitererzählen«, wies Urban sie zurecht. »Später sehe ich mir alles mit eigenen Augen an und bilde mir an Ort und Stelle ein Urteil über den genauen Verlauf.«
»Zum Glück ist das neue Kollegium verschont worden. Nicht auszudenken, wenn der Herzog die geplante Eröffnung der Universität im Sommer verschieben müsste.«
»Was ist mit den anderen
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