Die Liebe des Highlanders
hatte keine andere Wahl, er musste sie zu seinem ahnungslosen Opfer machen. Wichtigeres als nur sein eigenes Leben hing davon ab.
Gwen verrichtete hastig ihre Notdurft und suchte dabei mit Blicken den Wald ab, doch Drustan schien sich an sein Wort zu halten und ihr die Privatsphäre zu gewähren. Dennoch traute sie ihm nicht. Nachdem sie sich erleichtert hatte, verschlang sie den Protein-Riegel. Sie suchte in ihrer Kosmetiktasche nach der Zahnseide, bearbeitete sorgfältig ihre Zähne und tupfte sich ein wenig Zahnpasta auf die Zunge. Der Pfefferminzgeschmack weckte ihre Lebensgeister. Und als sie sich Nase, Wangen und Stirn mit einem getränkten Tuch abwischte, durchströmte sie ein ungeahntes Wohlbehagen.
So verschwitzt und erschöpft sie auch war, sie fühlte sich lebendiger denn je. Allmählich fürchtete sie um ihren eigenen Geisteszustand, weil sie Drustan in gewisser Weise glauben und unbedingt etwas erleben wollte, das außerhalb ihrer wissenschaftlichen Erfahrungen lag, die stets alles erklären konnten. Sie wollte an Magie glauben, an Männer, die ihr die Hitze durch die Adern trieben und ihre Knie weich werden ließen, und an verrückte Dinge wie Zaubersprüche.
Vererbung oder Erziehung? Natur oder Umwelt? Was war der entscheidende Faktor? Diese Frage hatte sie in letzter Zeit sehr beschäftigt. Sie wusste, was ihr die Erziehung angetan hatte. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie ernsthafte Probleme mit der Sexualität und mit Beziehungen. Sie sehnte sich nach etwas, was sie nicht beim Namen nennen konnte, und hatte gleichzeitig Angst davor.
Aber welche Erbanlagen hatte sie? War sie wirklich so scharfsinnig und gefühlskalt wie ihre Eltern? Sie erinnerte sich nur zu gut daran, dass sie einmal dumm genug gewesen war, ihren Vater zu fragen, was Liebe sei. Liebe ist eine Illusion, an die sich die Finanz- und Geistesschwachen klammern, Gwen. Sie haben das Gefühl, dass diese Illusion ihr Leben wertvoller macht. Du musst dir deinen Partner nach dem IQ, dem Ehrgeiz und seinen Mitteln aussuchen. Noch besser wäre, du würdest uns die Wahl treffen lassen. Ich habe bereits einige passende Verbindungen im Sinn.
Bevor ihre große rebellische Phase begann, hatte sie sich pflichtbewusst mit einigen Männern, die ihr Vater für sie ausgesucht hatte, verabredet. Mit sachlichen, intellektuellen Männern, die sie meist aus Augen betrachteten, die vom vielen Lesen und der Arbeit am Mikroskop rot unterlaufen waren. Sie alle zeigten kaum Interesse an ihr als Mensch, sondern viel mehr an ihren Eltern und daran, wie diese die eigene Karriere fördern könnten. Es war nie zu leidenschaftlichen Liebeserklärungen gekommen. Stattdessen hatte sich Gwen oft anhören müssen, dass sie ein ausgezeichnetes Team abgeben würden.
Gwendolyn Cassidy, wohl behütete Tochter berühmter Wissenschaftler, die sich aus der Armut befreit hatten, mittlerweile hoch dotierte Stellungen beim Los Alamos National Laboratory bekleideten und geheime Forschungen für das Verteidigungsministerium betrieben, dieser Gwendolyn war es nahezu unmöglich, Menschen außerhalb des wissenschaftlichen Kreises kennen zu lernen, in dem sie aufgewachsen war. Im College war es noch schlimmer. Die Jungs hatten sich aus drei Gründen mit ihr verabredet: um sich mit ihren Eltern gut zu stellen, um herauszufinden, ob Gwen irgendwelche Theorien kannte, die man übernehmen könnte, und zu guter Letzt, weil es ihnen Prestige verschaffte, mit dem »Wunderkind« gesehen zu werden. Die wenigen, die sich von ihren anderen Vorzügen - im Klartext: von ihrer Körbchengröße C - angezogen fühlten, hielten nicht lange durch, wenn sie erfahren hatten, wer sie war und in welchen Kursen sie brillierte, während sie selbst ihre Prüfungen nur mit knapper Not bestanden.
Mit einundzwanzig war sie erschreckend zynisch.
Mit dreiundzwanzig klinkte sie sich aus dem Forschungsprogramm für ihre Doktorarbeit aus und sagte sich unwiderruflich von ihren Eltern los.
Mit fünfundzwanzig war sie entsetzlich einsam. Isoliert.
Vor zwei Jahren hatte sie geglaubt, dass ihre Probleme gelöst wären, wenn sie einen angenehmen, normalen Job mit angenehmen, normalen Menschen annehmen würde.
Sie strengte sich ungeheuer an, um sich ein neues Leben aufzubauen. Doch schließlich begriff sie, dass die Berufswahl nichts mit ihren Schwierigkeiten zu tun hatte.
Sie redete sich zwar ein, dass sie nach Schottland gekommen war, um ihre Jungfräulichkeit loszuwerden, täuschte sich jedoch damit über
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