Die Liebe des Highlanders
ich wohl kaum«, erwiderte sie eisig.
Ein kurzes Aufblitzen der weißen Zähne war der einzige Hinweis, dass er sich amüsierte. »Dann bitte ich dich, leg dich nieder, bevor du umfäll st. Wir müssen morgen eine wei te Strecke zurücklegen. Ich könnte dich zwar tragen, aber ich vermute, das würde dir nicht gefallen.«
»Verdammt richtig, MacKeltar«, brummte sie, gab aber nach und ließ sich neben dem Feuer nieder. Sie knüllte ihre Jacke zu einer Art Kissen zu sammen und stopfte sie sich un ter den Kopf.
»Ist dir warm genug?«, fragte er leise.
Sie fröstelte kurz, rückte näher zum Feuer und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Drustan betrachtete die schlafende Gwen Cassidy. Ihr blondes Haar, das mit dunkleren und helleren Strähnen durchsetzt war, schimmerte im Schein des Feuers. Ihre Haut war samtweich, die Lippen voll und rosig - die untere war ein klein wenig üppiger als die obere. Ein Mund zum Küssen. Die mandelförmigen Augen und die nach oben geschwungenen dunkelblonden Brauen verliehen dem finsteren Blick, den sie ihm so oft zuwarf, eine aristokratische Verachtung. Sie lag auf der Seite und ihre drallen Brüste waren zu gefährlich verlockenden Kurven zusammengepresst. Aber nicht nur ihre körperlichen Attribute wühlten ihn auf.
Sie war die ungewöhnlichste Frau, die ihm jemals begegnet war. Was immer ihr Wesen geprägt haben mochte, sie vereinte jedenfalls eine eigenartige Mischung von Vorsicht und Kühnheit in sich, und ihm war bewusst geworden, dass sie einen schnellen, wachen Verstand besaß. Dieses winzige Persönchen hatte keine Angst, sein Kinn vorzurecken und ihn anzuschreien. Er vermutete, dass ihr der Mut und die Unerschrockenheit im Blut lagen und dass sie sich die Vorsicht im Laufe des Lebens angeeignet hatte.
Die Waghalsigkeit würde ihr bei den Aufgaben, die auf sie zukamen, gute Dienste leisten und sie würde viel zu bestehen haben. Er durchforschte sein Gedächtnis und suchte nach
Einzelheiten, von denen erschreckend viele verloren waren. Er hatte noch zwei Tage Zeit, um sich genau zu erinnern. Es war ungeheuer wichtig, dass er jede Kleinigkeit, die vor sei ner Verzauberung eine Rolle gespielt hatte, herausarbeitete und genau untersuchte.
Mit einem tiefen Seufzer drehte er den Rücken zum Feuer und starrte in die Nacht. Er war in einer Welt, die er nicht verstand, und er wollte nicht Teil von ihr sein. Gwens Jahr- hundert verursachte ihm Unbehagen; der unnatürliche Rhythmus des Lebens stürmte regelrecht gegen ihn an. Er tröstete sich mit dem Wissen, dass er nicht mehr lange in dieser Welt bleiben musste. Während er den fremdartigen Geräuschen der Nacht lauschte - ein Brummen in der Luft, das nur wenige wahrnehmen konnten, ein seltsam abgeh ack tes Donnern am Himmel -, dachte er über seine Ausbildung nach und ging gewissenhaft a ll die in seinem Gehirn gespei cherten Informationen durch.
Präzision war lebenswichtig, und Drustan verdrängte die innere Unruhe. Er hatte das, was er vor sich hatte, nie zuvor getan, und obwohl er während seiner Ausbildung darauf vor- bereitet worden war, war die Gefahr groß, dass er einen Fehler beging. Er hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Allerdings war bei dem Unterricht, den er genossen hatte, nie berücksichtigt worden, dass er, wenn er eines Tages gezwungen war, das Ritual durchzuführen, vielleicht nicht in der Burg Keltar sein und demzufolge keinen Zugang zu den Steintafeln und Büchern haben würde.
Der Glaube, dass es, abgesehen von einigen unbeholfenen Kennern niedriger Zauberei, keine Druidenmacht mehr gab und dass es den alten Gelehrten verboten gewesen war, ihr Wissen aufzuschreiben, war weit verbreitet. Doch das waren Mythen, welche die wenigen wahrhaften Druiden selbst kultiviert und verbreitet hatten. Sie wollten nämlich, dass diese Gerüchte die Runde machten, und sie waren immer schon Meister der Täuschung gewesen.
Doch im Verborgenen wu rden die Kenntnisse weitergege ben, auch wenn die bedauernswerten britischen Druiden nach Drustans Einschätzung kaum noch die Macht hatten, einen schlichten Schlafzauber zu verhängen.
Vor Jahrtausenden, nachdem die Tuatha de Danaan die Welt der Sterblichen verlassen hatten, um an fremden Orten zu verweilen, hatten ihre Druiden - Sterbliche, die ihnen nicht folgen konnten - um die Macht gewetteifert.
Es war zu einem langen Kampf gekommen, der beinahe die Welt zerstört hätte. Die Nachwirkungen waren Furcht einflößend, und man hatte eine bestimmte Familie dazu
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